[Gelesen] Sourdough

Der erklärte Feind meiner Mutter in der Küche ist Hefe. Egal, um welches Rezept es geht, sobald Hefe im Spiel ist, ist es keine Option mehr. Umso aufregender war es für mich eine Backmischung für Brot auszuprobieren und zu sehen, wie die Hefe über die verschiedenen Durchgänge gearbeitet hat. Aus dem kleinen Klumpen wurde immer mehr und mehr, und das fertige Brot frisch aus dem Ofen war allein vom Geruch her schon ein Genuss. Und der erste Biss in die erste Scheibe erst! Inspiriert dazu hat mich ein dünnes Buch, dass sich ganz unerwartet in mein Herz geschlichen hat: Sourdough* von Robin Sloan.

*dt. Der zauberhafte Sauerteig von Lois Clary

Robin Sloan: Sourdough

Lois Clary ist für den vermeintlichen Traumjob quer durchs Land nach San Francisco gezogen, und verbringt ihre Tage im Büro mit dem Programmieren von Robotern.  Klingt im ersten Moment toll, wirklich erfühlend ist es aber leider nicht: Ihr Sozialleben ist  dank Überstunden über Überstunden quasi nicht existent und sie ist meist abends zu müde, um was vernünftiges zu essen. Wie viele ihrer Kollegen hat sie den Kühlschrank voll mit Flüssignahrung, wobei sie es teilweise noch nicht mal nach Hause schafft und im Büro übernachtet. Ein kleiner Lichtblick ist da der Lieferservice zweier Brüder, über den Lois zufällig stolpert. Immer wieder ordert sie die Suppe mit Sauerteigbrot, welche auch  den miserabelsten Tag wieder hinbiegen. Als die Brüder die Stadt verlassen, bekommt Lois als Stammkundin eine Starterkultur ihres Sauerteiges geschenkt – und damit startet ein ganz zauberhaftes Abenteuer rund um Brot, Zufriedenheit und das kleine Glück.

I needed a more interesting life. I could start by learning something. I could start with the starter. | Seite 35

Als kleine Vorwarnung: Dieses Buch macht unsagbar hungrig! Normalerweise esse ich sehr wenig Brot, aber ich hatte noch nie so einen riesigen Appetit darauf wie beim Lesen dieses Buches. Es kommen noch andere Lebensmittel vor, aber der Sauerteig ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Wie ich weiß Lois am Anfang recht wenig über den Teig oder wie man ihn richtig behandelt, sodass man gemeinsam mit ihr unglaublich viel lernt. Hat es einen Einfluss, welches Mehl man nutzt? Welcher Ofen ist am besten geeignet? Wie maximiert man seine Backkapazität? Dazu kommt die Freude, etwas selber zu machen: Wie bei allem schmeckt das selbstgebackene Brot ganz anders als gekauftes, und Lois schafft es schnell ihre Umwelt ebenfalls dafür zu begeistern.

Die Starterkultur öffnet für Lois aber nicht nur eine neue kulinarische Welt, sondern auch neue Seiten an San Francisco. Hat sich ihre Lebenswelt bis dorthin auf ihre Arbeit und Wohnung beschränkt, so kommt sie jetzt immer mehr raus und lernt die verschiedensten Leute kennen, die zwar auf eine gewisse Art sehr speziell sind, aber ihr Leben bereichern. Das war auch einer der Punkte, die mir so gut an diesem Roman gefallen haben: Nicht nur kann man als Erwachsener noch neues lernen bzw. entdecken, nein, man kann auch abseits der festgefahrenen Routine immer wieder neue Freund- und Bekanntschaften knüpfen. Da man allzu schnell eine Art Tunnelblick entwickelt und das vergisst, finde ich sowas immer toll zu lesen! Generell schafft es Lois dank der Starterkultur einen neuen Blick auf ihr Leben zu bekommen und ihre Lebensqualität deutlich zu verbessern, wobei unterschwellig eine Liebesgeschichte mitschwingt. Eigentlich sogar mehrere Liebesgeschichten, wenn man die zu Brot, Nachhaltigkeit, lokalen Produkten und Märkten mit einrechnet.

Man kann Sloan vielleicht vorwerfen, dass sein Roman wenig große Überraschungen parat hält – dafür wirken die wenigen fantastischen Elemente allerdings umso besser. Und ja, in gewisser Weise ist Essen ein Trendthema, aber eins, das gefühlt immer aktuell ist. Mit Lois bekommt man als Leser einen soliden, sympathischen Hauptcharakter an die Seite gestellt, mit dem mitfiebert und sich über Etappenziele unglaublich freut. Dadurch lesen sich die noch nicht mal dreihundert Seiten fast viel zu schnell, und es ist sicher eine Geschichte, zu der ich das ein oder andere Mal zurückkehren werde. Und sei es nur in Gedanken, wenn ich den klebrigen Teig meines nächsten Brots knete. Darauf jetzt eine dicke Scheibe Brot mit Suppe. Wohl bekomm’s!


In dem Artikel Making the Music of the Mazg schreibt Sloan über den Entstehungsprozess der Musik, die in Sourdough eine große Rolle spielt und somit auch Teil des Hörbuchs ist. Weitere Eindrücke zum Buch selbst findet Ihr bei Miss Bookiverse, The Game Of Nerds und Das Filter.


BUCHDETAILS | ANZEIGE

TASCHENBUCH: 272 SEITEN | EINZELBAND | VERLAG: FSG ADULT (05.09.2017) | ISBN: 9780374903343 | DIE DEUTSCHE ÜBERSETZUNG ERSCHEINT UNTER DEM TITEL ‚DER ZAUBERHAFTE SAUERTEIG DER LOIS CLARY‘  AM 22.10.2018 IM BLESSING VERLAG | MEINE BEWERTUNG: 5/5

4 Gedanken zu “[Gelesen] Sourdough

  1. […] Ohima: To Your Eternity 02 Bewertung: 3/5  • Robin Sloan: Sourdough Bewertung: 5/5 | Beitrag • Wladimir Kaminer: Russendisko Bewertung: 1/5  • C.E. Bernard: Palace of Silk – Die […]

  2. Hihi, das mit dem Backen hast du ja genau richtig gemacht, ich hab während des Lesens auch solche Hunger darauf bekommen! Hast du Mr Penumbra‘s auch gelesen? Das mochte ich eigentlich noch lieber.

    • Hach ja, es ist schon so eine kleine Liebeserklärung an Brot, oder? Mr Penumbra’s habe ich kurz danach gelesen, aber irgendwie konnte mich das nicht so ganz abholen… Ich mag es generell nicht gerne wenn reale Firmen in Büchern so präsent sind, und ich hätte lieber mehr von dem Buchladen selbst gelesen. Sloan ist allerdings ein Autor, bei dem ich mich sehr über weitere Titel freuen würde!

Mit dem Verfassen eines Kommentares akzeptiere ich die Datenschutzerklärung und habe sie gelesen. Hiermit bin ich damit einverstanden, dass die E-Mail-Adresse, der angegebene Name und die IP, sowie die freiwillige Angabe der URL gespeichert werden.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..