Der Auftakt meines Lesejahres steht klar unter einem Thema: Elfen. Vier Geschichten habe ich dazu im Januar geradewegs verschlungen, die so viele Gemeinsamkeiten wie Eigenarten hatten und mich dadurch arg in ihren Bann zogen. Allerdings nicht nur im positiven Sinne… Zwei dieser Geschichten waren An Enchantment of Ravens von Margaret Rogerson und The Cruel Prince von Holly Black. Ihre Gemeinsamkeiten: Es geht in ihnen um junge Frauen, die es ins Elfenreich verschlägt, Prinzen spielen eine tragende Rolle und es sind alles andere als märchenhafte Reisen. Dazu kommen wir aber noch früh genug.
Protagonistinnen und Prinzen
In An Enchantment of Ravens begleitet man als Leser Isobel, die eher durch Pech ins Elfenreich geschleppt wird. Sie ist eine Porträtmalerin, die in einer kleinem Dorf am Rand des Reichs lebt, und ihre Dienste dort dem verborgenen Volk anbietet. Als sie Rook, den Prinz des Herbsthofs porträtiert, malt sie allerdings menschliches Gefühl in seinen Blick, und der Prinz und sein Hof sind -milde gesprochen- nicht gerade angetan. Sie soll nun Rede und Antwort stehen, wobei ihr Handwerk sowohl ihre Rettung als auch Verderben sein könnte.
Jude aus Holly Blacks The Cruel Prince ist dagegen quasi unter den Elfen aufgewachsen: Ihre Eltern werden ermordet, als sie sieben Jahre alt ist, und sie daraufhin mit ihren Schwestern ins Elfenreich entführt. Mittlerweile ist sie zu einer jungen Frau herangewachsen, die sich dort heimisch fühlt und einen Platz am Hof erlangen möchte. Denn eine Stellung würde nicht nur ihr Dasein im Elfenreich rechtfertigen, sondern sie auch schützen. Ganz zu schweigen, dass sie aus dem Haus des Mörders ihrer Eltern entfliehen könnte. Bis dahin heißt es aber unter anderem die grausamen Schikanen des Prinzen Cardan zu ertragen und im kommenden Machtwechsel am Hof aufs richtige Pferd zu setzen.
I was alive in a way I never had been before, in a world that no longer felt stale but instead crackled with breathless promise. | aus An Enchantment of Ravens, S. 42
Rook und Cardan sind beide eigentlich genau das, wovon die jungen Frauen die Finger lassen sollten: Arrogant, tödlich und teils unvorhersehbar in ihren Handlungen bekleiden sie als Prinzen wichtige Rollen am Elfenhof. Wo Rook von Isobel gleich sehr angetan ist und vice versa, da herrscht zwischen Cardan und Jude das, was man am ehesten Hassliebe nennen könnte. Dementsprechend unterschiedlich fallen die Interaktionen der beiden Paare daher miteinander aus. Über weite Teile von The Cruel Prince ist keine Liebe weit und breit zwischen den Charakteren zu erkennen, während die Liebe auf den ersten Blick zwar von Isobel in An Enchantment of Ravens zuerst hinterfragt, dann aber doch fest in der Geschichte von Rogerson verankert wird.
Elfen können so grausam sein
In beiden Geschichten sind die Elfen alles andere als putzige Zeitgenossen. So schön ihr äußeres auch scheint, so kalt und grausam sind sie innerlich, wobei sie zumindest nicht über die Gabe verfügen lügen zu können. Isobel wird dabei noch einigermaßen durch Rook abgeschirmt, wohingegen Jude konstant den Attacken -körperlich und verbal- der Wesen um sie herum ausgesetzt ist. Diese Dualität ist etwas, was ich generell an Elfen oder Feen sehr faszinierend finde, und beide Autorinnen setzten dies gekonnt in Szene. Beispielsweise nimmt Isobel an einem Festessen teil, welches eigentlich aus verrotteten Speisen besteht – durch die Magie wird dies aber zuerst nicht ersichtlich.
Jude dagegen erleidet hauptsächlich verbale Attacken, die in Richtung eines fast tödlichen Mobbings gehen. Das hätte gerne etwas subtiler oder in einem anderen Rahmen erfolgen können, da ich den Schulkontext als etwas zu krass empfand… aber ja, mit Elfen ist nicht gut Kirschen essen. Wenn dann auch noch Könige einem Steine in den Weg schmeißen und mehr als ein Hof involviert ist, wird die Sache nur noch komplexer.
Ein Talent gegen alles
Theoretisch haben Isobel und Jude beide den Elfen nichts entgegenzusetzen, wäre da nicht das Lügen. Isobel kann zusätzlich noch malen, aber es steht und fällt alles mit der menschlichen Fähigkeit des Lügens und ob die Elfen damit überlistet werden können. Gerade in The Cruel Prince macht es großen Spaß Jude dabei zu beobachten, da in dieser Geschichte der Hof und seine politischen Manöver mehr im Vordergrund stehen und das Lügen fast unerlässlich ist, aber auch Isobel muss sich an einem Hof behaupten. Und die große Kunst beim Lügen besteht natürlich darin, dass der Angelogene die Lüge nicht bemerkt. Ein Glück, dass Elfen allgemein sehr höflich sind und sich einer festen Etiquette unterwerfen, die die Frauen zusätzlich zu ihrem Vorteil nutzen können. Zum Beispiel muss sich Rook immer gegenüber Isobel verneigen, wenn sie dies vor ihm tut, was zu einer recht lustigen Szene führt.
Ähnlich, aber doch nicht gleich
Die beschriebenen Punkte sind nur einige, an denen sich An Enchantment of Ravens und The Cruel Prince ähneln. Trotzdem entwickeln sich die Handlung recht unterschiedlich und ersteres konnte mich nicht überzeigen. Woran liegt das? Zum einen auf jeden Fall an den Zielgruppen der Bücher, daneben aber auch an den genutzten Tropen. An Enchantment of Ravens wird für Leser 14+ Jahre empfohlen, wobei ich es eher schon ab 12 Jahre einstufen würde. Isobel ist 17 Jahre alt, aber alles liest sich viel jünger und passt zu der Liebe auf den ersten Blick mit Rook. Den Hauptteil des Buches laufen die Charaktere gefühlt im Kreis im Wald herum, und können sich einfach ihre Liebe nicht eingestehen. Dieser starke Fokus auf eine Liebesgeschichte ist nicht meins, sodass The Cruel Prince mit seiner Andeutung dieser um Längen besser wegkommt. Jude ist ebenfalls 17, aber ihre Umwelt und Taten sind deutlich düsterer und die Intrigen und Machtspiele stehen im Fokus. Wären die Unterrichtssequenzen nicht, könnte man sie locker einige Jahre älter machen und es nicht länger als Jugendbuch deklarieren.
“Before, I never knew how far I would go. Now I believe I have the answer. I will go as far as there is to go. I will go way too far.” | aus The Cruel Prince, S. 216
Obwohl Geschichten über bzw. mit Elfen jetzt wahrscheinlich keinen allzu großen Trend erleben werden, fand ich es spannend diese beiden Geschichten nebeneinander zu lesen und zu vergleichen. Vielleicht kommt in den nächsten Jahren ja doch noch mehr in die Richtung? Elfen lesen sich zumindest immer noch etwas frischer als Vampire, Werwölfe oder Zombies und zumindest ein Buch um Jude erscheint noch nächstes Jahr.


