Rezensionsexemplar | Im November 1918 geht es drunter und drüber: Die Novemberrevolution sorgt für den Sturz der Monarchie in Deutschland, was zur Bildung der Weimarer Republik führt, der erste Weltkrieg endet – und mit dem Reichswahlgesetz erhalten Frauen das allgemeine und passive Wahlrecht. Es herrscht Aufbruchs- und Umbruchsstimmung, und genau diese findet sich im Kleinen im Comic Heraus aus der Finsternis von Christopher Tauber und Annelie Wagner wieder: Die Mädchen Käthe, Jenny, Franziska und Josephine leiden unter den Knabenbanden Frankfurts, denen sie allein kaum etwas entgegenzusetzen haben. Aber wo es Knabenbanden gibt, kann es da nicht auch Mädchenbanden geben?!
Diese „Banden“ spielen dabei an die Vereine der Frauen zu jener Zeit an wie der Hauspflegeverein oder die Rechtsschutzstelle für Frauen, die sich (politisch) engagierten und die Lage der Frauen verbessern wollten. Im Verlauf des Comics schaffen es Tauber und Wagner immer wieder geschickt solche historischen Geschehnisse und Personen wie Meta Quark-Hammerschlag quasi nebenbei einzustreuen.
Heraus aus der Finsternis ist begleitend zur Ausstellung „Dagegen! Dafür? – Revolution. Macht. Geschichte“ im Junges Museum Frankfurt erschienen, und richtet sich entsprechend an eine jüngere Leserschaft ab 8 Jahren. Das macht den Comic aber keineswegs für ältere Leser uninteressant! Tatsächlich fand ich diese kindgerechte und leicht spielerische Annäherung sehr angenehm, eben weil viel Wissen komprimiert ist und man so aber einen guten Anknüpfungspunkt für Gespräche oder weitere Lektüre findet.
„Was heißt das eigentlich, „on gart“?
„Das heißt die Jungs kriegen die Hucke voll!“ | Seite 24
Der Zeichenstil und die Farbgestaltung von Annelie Wagner sind sehr simpel und reduziert. Viele Seiten sind in einem Farbton gehalten, wodurch kleine, andersfarbige Details herausstehen. Diese Einfachheit mochte ich sehr, da teilweise doch einiges in den Dialogen steckt und man sich so gut auf diese konzentrieren kann, ohne das die Zeichnungen langweilen. Dazu sind die ausgewählten Gelb-, Rot- und Blautöne etwas entsättigt, was die Spielzeit in der Vergangenheit unterstreicht.
Nachdem Kennenlernen der Mädchen und ihrer Situation geht der Comic in raschen Schritten voran, was einer meiner kleinen Kritikpunkte ist: Ich hätte doch gerne mehr Seiten gehabt und länger von dieser tollen Gruppe gelesen, wobei das gewählte Tempo vermutlich für jüngere Leser optimal ist. Ebenso fand ich den Anhang mit historischen Fakten, Glossar und dazu passenden Museumsgegenständen zwar super, nur hätte dieser gerne noch eine weitere Doppelseite umfassen dürfen.
Alles in allem ist Heraus aus der Finsternis ein kurzweiliger Comic, der Geschichte erfolgreich mit Unterhaltung für junge und alte Leser mischt und trotz des Lokalkolorits von Frankfurt auch anderorts zugänglich ist. Und die Kernaussage, das man gemeinsam stärker ist? Die ist immer noch aktuell! In diesem Sinne: Bildet Banden, Mädchen, und macht den Mund auf!
Das Junge Museum Frankfurt zeigt die Ausstellung „Dagegen! Dafür? – Revolution. Macht. Geschichte“ noch bis zum 22. März 2020. Weitere Eindrücke zum Comic findet Ihr bei Brause*Mag, Juli liest, Letterheart und IvyBooknerd.

