Eindrücke sind immer subjektiv, und Personen können die gemeinsam erlebten Momente daher ganz unterschiedlich wiedergeben. Mit dieser Tatsache spielen M. T. Anderson und Eigene Yelchin in ihrem gemeinsamen Kinderbuch The Assassination of Brangwain Spurge, indem ein Historiker und ein Archivar wider Willen in eine internationale Krise verwickelt werden und sich ganz nebenbei den eigenen Vorurteilen stellen müssen.
Von Aufgaben und schlechten Gästen
Der Elfenhistoriker Brangwain Spurge erhält eine denkbar undankbare Aufgabe: Er soll in das verfeindete Reich der Goblins reisen, und deren Herrscher ein Friedensgeschenk überreichen. Kurzerhand wird er dafür vom Elfenkönigreich aus ins Nachbarland katapultiert, und dort im Haus des Goblinarchivisten Werfel untergebracht. Obwohl die beiden Männer ihre Leidenschaft für Geschichte teilen, will der Funke allerdings nicht so recht überspringen. Werfel bemüht sich als guter Gastgeber zwar Brangwain die Hauptstadt und Kultur der Goblins näher zu bringen, allerdings schickt Brangwain insgeheim Nacht für Nacht Berichte an den elfischen Geheimdienst und spioniert für jenen. Wenig überraschend kippt die Stimmung recht schnell, und Historiker und Archivar müssen gezwungenermaßen an einem Strang ziehen, wenn sie überleben wollen.
Zwei Seiten einer Münze
Beide Charaktere haben ihre guten und schlechten Seiten, aber Werfel hat sich rasch zu einem meiner liebsten Charakter gemausert. Er nimmt seine Aufgaben als Gastgeber so ernst, und will von Anfang an eigentlich nichts anderes als Brangwains Freund sein. Da will man den Elf das ein oder andere Mal schütteln, weil er Werfel immer wieder vor den Kopf stößt und Situationen falsch aufnimmt. Brangwain findet tendenziell einfach alles schrecklich und will nur seine Aufgabe hinter sich bringen, und so verzehrt wirken teilweise dann auch seine Berichte. Umso schöner sind dann die Momente, in denen die Beiden auf einer Wellenlänge sind und ihre Unterschiede vergessen!
Kleinode und Holzschnitte
Wann immer ich zu Kinderbüchern für die Altersgruppe 10+ greife, ärgere ich mich etwas, dass ich nicht viel mehr in diesem Bereich stöbere: Die Geschichten sind immer solche Kleinode! Auch The Assassination of Brangwain Spurge ist so eins, was vor allem an der Gestaltung liegt. Immer wieder wird die Handlung mit den Berichten von Brangwain unterbrochen, welche Yelchin wunderbar illustriert hat. Das Cover zeigt diesen an Holzschnitte angelehnten Stil bereits, und er passt einfach perfekt zu einer Welt von Elfen und Goblins! Daneben gibt es noch schriftliche Berichte des elfischen Geheimdienstchefs, welche Brangwains Aufgabe in den Kontext setzen und einen ganz eigenen schwarzen Humor besitzen.
„Oh, no,“ said Werfel. „What do you think is happening?“
„History, Archivist,“ said the elf miserably. „What is happening is history.“ | Seite 404
Das Buch ist auf der einen Seite recht simpel aufgebaut und dann doch so vielschichtig, dass es auch für ein älteres Publikum gut geeignet ist. Vorurteile gegenüber Fremden, verzehrte Wiedergabe von Tatsachen, Spionage und Intrigen… es gibt viele Punkte, die jüngere und ältere Leser hier wahrscheinlich verschieden wahrnehmen werden, und es funktioniert aber auf beiden Ebenen. Die Auflösung mag eventuell etwas zu einfach wirken, aber wäre es nicht schön, wenn es auch mal in der Realität so einfach sein könnte?
Weitere Eindrücke zum Buch findet Ihr bei Pages Below the Vaulted Sky, Milliebot Reads, Redeemed Reader und Charlotte’s Library.
BUCHDETAILS | ANZEIGE
Hardcover: 525 SEITEN | EINZELBAND | GESCHRIEBEN VON M.T. ANDERSON MIT ILLUSTRATIONEN VON EUGENE YELCHIN | VERLAG: CANDLEWICK PRESS (25.09.20198) | ISBN: 978-0763698225 | EMPFOHLEN FÜR DIE ALTERSGRUPPE 10-14 JAHRE | MEINE BEWERTUNG: 5/5
