Ich lese furchtbar gerne ab und an Klassiker, wobei ich aber die Tendenz habe, die wirklich dicken Wälzer vom Klappentext her am ansprechendsten zu finden. Ein paar dünne Klassiker tümmeln sich dann aber doch noch auf dem SuB, und zu gleich zwei Stück davon habe ich kürzlich gegriffen: Kahlil Gibrans The Prophet und Ivan Turgenevs First Love zählen beide keine 150 Seiten, und eignen sich daher gut für die kurze klassische Lektüre zwischendurch.
Von Propheten und Weisheiten
Kahlil Gibrans The Prophet ist quasi eine Sammlung an Ratschlägen und Weisheiten zu einer Vielzahl von Themen. Der fiktive Prophet Almustafa macht sich auf den Weg zurück in seine Heimat, und bietet den Menschen der Stadt Orphalese und dem Leser Gedankenfutter. In insgesamt 26 kleinen Fabeln geht es um existenzielle Themen wie Liebe, Geben und Nehmen, Freiheit, Selbsterkenntnis, Zeit, Glauben oder Tod, die sich dank Gibrans einfacher Sprache leicht und einprägsam lesen. Vor einigen Jahren hatte ich bereits Auszüge aus dem Propheten gelesen und mochte diese, und vielleicht ist das auch die beste Lesart: In kleinen Dosen, und nicht am Stück? Mir kamen bei dieser Lektüre viele Stellen fast schon zu verallgemeinert oder pathetisch vor, nur wenige Stellen stechen wirklich heraus.
Your soul is oftentimes a battlefield, upon which your reason and your judgment wage war against your passion and your appetite. | Seite 56
Eine Liebe, die Eindruck hinterlässt
Irgendwann lerne ich nochmal, die Einleitung von Klassikern erst im Nachgang zu lesen… Ich schätze, dass mir dann die Geschichte der ersten Liebe in der gleichnamigen Novelle von Turgenev sehr viel mehr zugesagt hätte. Zwei Männer berichten einander von ihrer ersten Liebe, wobei es hauptsächlich um die von Vladimir Petrovich geht.
‚My son,‘ he wrote, ‚beware of the love of women; beware of that ecstasy – that slow poison.‘ | Seite 103
Mit 16 Jahren verliebt er sich in eine ältere Frau, und diese Liebe ist dank einiger Wendungen bitter-süß. Mir hat die langsame (Selbst-)Erkenntnis des Protagonisten gut gefallen, ebenso mochte ich ein Element, welches ich in einem Buch von einem Mann aus dem Jahr 1860 nicht erwartet hätte – aber ich habe mich beim Lesen trotzdem schrecklich gelangweilt. Die Einleitung gibt einem eben nicht nur die Eckdaten zum Autor, sondern erzählt wirklich ALLE Details der Handlung. Wenn auf 17 Seiten bereits alles runter gebrochen und erzählt ist, dann lesen sich die 86 Seiten der Novelle danach schlicht zäh. Eventuell muss ich dieser Geschichte nochmal eine Chance in einigen Jahren geben, wenn die Erinnerung verblast ist, vielleicht ist Turgenev aber auch nicht meins? Väter und Söhne konnte mich seinerzeit ebenfalls nicht überzeugen, eine Chance hat der Autor aber noch: Das Adelsgut wartet nämlich noch im Regal auf seinen Einsatz.
