Ein Roadtrip mit Katze: West, West Texas

Rezensionsexemplar | So gerne ich auch Comics lese, ab und an sind Graphic Novels eine schöne Abwechslung – gerade auch, da diese meist in einem Band abgeschlossen sind. Von Tillie Walden gibt es aktuell zwei Werke auf Deutsch, die beide durch einen tollen Stil und wunderschöne Pastellfarben bestehen: Das autobiographische Piroutten, sowie West, West Texas. Piroutten reizt mich ob seiner Zweifarbigkeit nicht wirklich, aber West, West Texas hat mich direkt durch das Cover und den Klappentext gepackt.

West, West Texas

Texas, mitten im Nirgendwo

An einer Raststätte in Texas treffen Bea und Lou aufeinander, und beide jungen Frauen scheinen vor etwas zu flüchten. Spontan bilden sie eine Fahrgemeinschaft, die sich auf einen Roadtrip durch das gefühlt staubige Nirgendwo begibt. Eine Richtung oder Ziel haben sie eigentlich nicht, bis sie auf eine Katze stoßen und auf einmal eine Verfolgungsjagd auf dem Weg zum titelgebenden West, West Texas startet. Je weiter man liest, desto mehr öffnen sich Bea und Lou, man erfährt ihre Hintergründe und Motivationen, und desto mehr fiebert man mit ihnen mit. Ich fand beide Charaktere so unglaublich sympathisch, was vielleicht auch daran liegt, dass Walden ihnen Raum gibt. So gibt es beispielsweise einen Handlungsstrang, indem Autofahren geübt wird, was nicht unmittelbar für die Handlung wichtig ist, die Beziehung der beiden aber toll untermauert.

Pastell ≠ Heiter

Wie Piroutten, so ist auch West, West Texas vorrangig in Pastelltönen gehalten. Dabei zeigt Walden allerdings, dass diese nicht immer nur hell und freundlich eingesetzt werden können: Viele Szenen spielen nachts oder während das Wetter verrückt spielt,  teilweise spiegeln die Töne auch die Emotionen von Bea und Lou wieder. Die Farben gehen dabei mit, werden entsprechend dunkler oder heller, und trotz -oder gerade wegen- dieses Wechselspiels bleibt die Graphic Novel vom Stil her in sich absolut stimmig! Generell mochte ich Waldens Stil sehr gerne, der zwar irgendwo simpel wirkt, es aber gar nicht ist, wenn man sich länger mit den einzelnen Bildern beschäftigt.

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Katze an Bord

Während der Anfang der Geschichte noch recht bodenständig daherkommt, desto mehr rutschen Bea und Lou während ihrer Fahrt in einen Mix aus Surrealismus und magischem Realismus ab. Irgendwie hat mich das vom Aufbau her stark an Chihiros Reise ins Zauberland erinnert, wo die Geschichte ebenfalls durch eine Fahrt eingerahmt wird und eine quasi magische Zwischensequenz besitzt. Je vermeintlich näher Bea und Lou ihrem Ziel kommen, desto mehr scheint es sich zu entfernen und desto mehr verrückte Dinge geschehen. Diamond, die Katze, die sie unterwegs auflesen, dient dabei ein wenig als Anker, aber auch Katalysator für Teile der Handlung und ich mochte, wie sowohl Bea als auch Lou Verantwortung für sie übernehmen. Vor allem, da beide Frauen eigentlich immer zur Flucht vor ihren Problemen tendieren, und erst während dieser Fahrt allmählich beginnen, diese Taktik zu hinterfragen. Generell ist das Hinterfragen und den eigenen Weg finden ein großes Thema dieser Geschichte.

„Mit Anfang zwanzig habe ich so viel und schnell gearbeitet. Und mich nie gefragt, wie ich das eigentlich alles schaffe. Und jetzt bin ich wie gelähmt und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, weil ich mir nie erlaubt habe, einen Gang zurückzuschalten.“ | Seite 95

Walden drückt unglaublich viel durch den Einsatz von Farbe und Bildern aus, sodass man teilweise hieraus mehr lesen muss als aus dem tatsächlichen Text. Dadurch ist West, West Texas aber eine Graphic Novel, in der man bei jedem Lesen wieder was neues finden wird. Die Reise wert ist es dieser Roadtrip auf jeden Fall!


Weitere Eindrücke findet Ihr bei queerBUCH, Letterheart, It’s Vonk und Ink of Books.


BUCHDETAILS | ANZEIGE

PAPERBACK MIT KLAPPENBROSCHUR: 320 SEITEN | VERLAG: REPRODUKT (07.08.2019) | ORIGINALTITEL: ARE YOU LISTENING? | AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT VON BARBARA KÖNIG | ISBN:  978-3956401954 | REPRODUKT HAT MIR FREUNDLICHERWEISE EIN REZENSIONSEXEMPLAR ZUR VERFÜGUNG GESTELLT, WAS MEINE MEINUNG ALLERDINGS NICHT BEEINFLUSST. | MEINE BEWERTUNG: 4/5

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