Eine pastellfarbene Auszeit: Bridgerton

Wenn die Welt gefühlt still steht und der Alltag trist und grau ist, wer mag sich da nicht gerne wegträumen? Und was hilft da bitter besser als eine fantastisch romantische Geschichte mit Gossip Girl Einschlag voller Pastelltöne in einem alternativen Jahr 1813, das so leider nie existierte? Nicht viel anderes anscheinend, denn gefühlt war Bridgerton DIE Serie, über die Ende 2020/Anfang 2021 jeder geschwärmt hat. Sei es wegen der gespielten Beziehung von Daphne und Simon, die sich zu mehr entwickelt, der wunderschönen Drehorte und Kleidungsstücke, der diversen Handlungsstränge, Farbenblindheit beim Casting und modernen Ansichten… in Bridgerton kann fast jeder etwas für sich entdecken. Am wichtigsten dabei? Trotz (Liebes-)Drama ist das Happy End natürlich vorprogrammiert.

Julia Quinn: Der Duke und ich

Bridgerton basiert auf einer Buchreihe von Julia Quinn, in der nach und nach alle acht Bridgerton Geschwister trotz Irrungen und Wirrungen ihr Liebesglück finden. Erschwert wird das ganze immer wieder durch Lady Whistledown’s Society Papers, in der eine anonyme Schreiberin die pikanten Geheimnisse der englischen Oberschicht enthüllt. Zwar folgt die erste Staffel der Serie primär den Ereignissen des ersten Buchs rund um Daphne Bridgerton, aber auch Inhalte aus späteren Titeln werden bereits eingebaut oder vorbereitet.



Ich mag Periodendramen generell sehr, und die Mischung in Bridgerton hat mir direkt zugesagt. Die Serie hat etwas von einer mehrstöckigen Torte, bei der jede Ebene etwas anderes mit sich bringt und den Erwartungen somit immer wieder ein Schnippchen schlägt. Es ist vielleicht nicht realistisch, aber wie so viele andere finde ich gerade aktuell ein wenig Realitätsflucht in so eine Fantasie gar nicht schlecht. Natürlich gibt es Szenen und Charakterentwicklungen, über die man streiten kann und über die die Serie vielleicht zu schnell hinweggeht – gerade bei Simon gibt es einige Momente, die recht kritisch sind und bei einer Szene wäre die Reaktion sicherlich anders wären die Geschlechter vertauscht… Am Ende des Beitrags gibt es einige weiterführende Links hierzu, für diejenigen, die sich mehr mit diesem Aspekt beschäftigen wollen. Womit ich mich hier primär auseinandersetzen mag: Wie gut wirkt die pastellfarbene Auszeit von Bridgerton nach? Ist sie eine Eintagsfliege oder doch Eskapismus mit Wiederholungspotential?


We shall do what women do, we shall talk.


Was Bridgerton auf jeden Fall zu gute kommt: Im Film- oder Serienbereich sticht die Serie durch ihre Elemente hervor. Sie ist keine ernste Literaturadaption, wie sie gerne von vor allem britischen Klassikern produziert wird (hallo x-te Austen Adaption der BBC), aber auch kein Teeniedrama à la Reign, was in ein historisches Kostüm gezwängt wurde – obwohl sich von beiden Kategorien Elemente in Bridgerton wiederfinden. Die Buchvorlage ist ein Liebesroman, der diverse Tropen dieses Genres aufgreift, und die Serie scheut entsprechend auch nicht davor zurück die Charaktere bis ins Schlafzimmer zu begleiten. Dabei gibt es zwar jede Menge Haut zu sehen, aber auch wieder nicht zu viel, dass eine FSK 18 Einstufung nötig wäre. Statt direkt Szenen mit zeitgenössischen Popsongs zu untermalen, werden diese vom Vitamin String Quartett gecovert und alles ist pastellfarben und bunt. Und obwohl sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage das erklärte Ziel ist, endet die Serie nicht mit der Hochzeit, sondern zeigt noch einige Folgen darüber hinaus, was ebenfalls im Adaptionsbereich recht frisch daherkommt.

Da die Handlung von Bridgerton diverse Tropen und das Grundgerüst eines Liebesromans aufgreift, weiß der Zuschauer sicher was ihn oder sie erwartet. Gerade aktuell, wo so viel in unserem Alltag unsicher ist, ist das natürlich großartig – vor allem, weil es ohne Zweifel ein glückliches Ende nehmen wird! Simon und Daphne treffen sich, es gibt eine Reihe von Konflikten, Missverständnissen und Dramen, aber am Ende wird alles gut ausgehen. So weit, so gut, und definitiv einer der Punkte, warum die Serie so durchgestartet ist. Nur was noch? Ich glaube, dass die Serienmacher im Endeffekt echt Schwein hatten, das noch mehrere weitere Faktoren zusammenkamen, um ihre Produktion so beliebt zu machen:

  • Der Veröffentlichkeitszeitpunkt und das Format
  • Miniserie vs. Serie mit weiteren Staffeln
  • Das Tiktok-Musical

Bridgerton ist zu den Weihnachtsfeiertagen erschienen, und zwar gleich vollständig. Über die verschiedenen Veröffentlichungsstrategien der Streamingdienste kann man debattieren, aber das Bridgerton von Anfang an gebingt werden konnte, war definitiv ein Pluspunkt. Und viel Konkurrenz gab es zu dieser Zeit Serientechnisch auch nicht, dazu haben an Weihnachten viele Leute auch einfach Zeit fürs Bingen und sind kitschig-romantischen Titeln vermutlich auch eher zugeneigt. Die erste Staffel von Bridgerton bereitet schon einige weitere Handlungsstränge vor, aber wer nur Bock auf eine Miniserie hat, kann die acht Folgen beruhigt gucken: Die Geschichte von Simon und Daphne ist auserzählt. Deswegen ist es auch nicht schlimm, dass Regé-Jean Page für die zweite Staffel nicht wieder an Bord ist. Wer jedoch mehr von der Bridgerton-Familie sehen mag, bekommt eine weitere Staffel. Win-win-Situation also für beide Lager von Serienfans!

Ich persönlich schaue nur relativ wenige Serien mehrfach, aber Bridgerton hat eine gute Länge, falls man zwischendurch mal wieder eintauchen möchte, aber es schon etwas mehr/länger als ein Film sein darf. Was für mich dagegen den Hype eher anhalten lässt, und zur weiteren Popularität der Serie geführt hat, ist das Tiktok Musical. Es gab schon ein paar Trends auf Tiktok zu Musicals, unter anderem wurde ein Musical zu Ratatouille geschrieben. Das Projekt von Abigail Barlow und Emily Bear zu Bridgerton besticht dabei durch gute Texte mit Ohrwurmpotential und erstklassige Produktion. Auf ihrem Soundcloud-Account Barlow & Bear finden sich bereits einige Demos, und vor allem Burn For You und Ocean Away sind einfach großartig!



Ist Bridgerton nun eine Eintagsfliege oder Eskapismus mit Wiederholungspotential? Die Serie ist auf jeden Fall ein Phänomen, nicht umsonst wurde eine weitere Staffel bestellt. Wie diese angenommen wird, sollte spannend zu verfolgen sein, aber mit allein acht Bänden in der Hauptreihe um die Bridgertons sollte genug Stoff für ordentlich viel Drama vorliegen. Den ersten Band der Reihe habe ich in der Zwischenzeit ebenfalls gelesen und fand in erstaunlich lustig, aber nicht überwältigend? Nach gut zwanzig Jahren seit seiner Veröffentlichung ist Der Duke und ich nichts, was man nicht schon x-fach in diesem Genre gelesen hat. Persönlich werde ich daher eher am Musical dran bleiben, wobei ich auch in die zweite Staffel reinschauen werde… denn so oder so ist Bridgerton eine angenehme Auszeit vom Alltag.


Weitere Eindrücke zur Serie findet Ihr bei xx, xx und ss, während Ihr bei Corinnas World of Books, Chapteraway und Eli’s Bücherecke Leseeindrücke zum ersten Buch lesen könnt. Nachfolgend noch einige Links zu anderen Aspekten der Serie:

Bridgerton-Kontroverse: Toxische Beziehung oder Überreaktion des Publikums?
Sexualität und Rassismus: Wie rückständig ist „Bridgerton“ wirklich?
Vergewaltigung im Netflix-Hit „Bridgerton“: Was die Serie falsch macht
„Bridgerton“ Costumes Are A Historical Mess, But They Kinda Work (Video)
Bridgerton and the Problem of Pastel Progressivism (Video)


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*TASCHENBUCH: 400 SEITEN | ORIGINALTITEL: THE DUKE AND I | ÜBERSETZT AUS DEM AMERIKANISCHEN VON SUZANNA SHABANI. | TEIL 1 DER BRIDGERTON-REIHE | VERLAG: HARPERCOLLINS (16.02.2021) | ISBN:  978-3749902484 | MEINE BEWERTUNG: 3/5
*BRIDGERTON (2020-) |  PRODUKTIONSLAND: USA | VERFÜGBAR AUF NETFLIX | FSK: FREIGEGEBEN AB 16 JAHREN | DARSTELLER: PHOENE DYNEVOR, REGÉ-JEAN PAGE, NICOLA COUGHLAN UND WEITERE

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