Für Montserrat läuft es mehr schlecht als recht: Als Sound Editor ist sie zwar brillant, wird aber in der von Männern dominierten Branche schlechter bezahlt und seltener gebucht, ihre Schwester ist schwer krank und ihr Kindheitsfreund Tristán erinnert sich immer nur dann an sie, wenn es für ihn nützlich ist. Da ist es im ersten Moment eine willkommene Überraschung, dass Tristáns neuer Nachbar sich als ein Regisseur von Kulthorrorfilmen entpuppt. Für einen kleinen Gefallen verspricht er Montserrat und Tristán, dass sich ihr Leben zum Guten wenden wird – und damit nimmt das Unheil in Silver Nitrate von Silvia Moreno-Garcia seinen Lauf.
Silvia Moreno-Garcias Bücher waren bisher eine gemischte Kiste für mich: Der mexikanische Fluch war ein absolutes Highlight, wo ich stark auf eine Verfilmung à la Crimson Peak hoffe, wohingegen Die Tochter des Doktor Monreau so gar nicht meins war… lediglich Moreno-Garcias Schreibstil und wenige Szenen konnten das etwas retten. Silver Nitrate ist aber wieder eine gruselige Geschichte, und ich glaube, die mag ich von der Autorin einfach lieber!
Silver Nitrate spielt 1993 in Mexiko-Stadt, und der namensgebende Nitratfilm spielt eine große Rolle. Mehrere Jahrzehnte zuvor hat Abel Urueta als Regisseur an einem Film aus eben jenem Filmmaterial gearbeitet, der nie vollendet wurde und fast wie eine Urban Legend daherkommt. Durch einige Kniffe wie eingeblendete Runen oder Zauberformeln sollte dieser Film angeblich Magie wirken, zusätzlich verstärkt durch die besonderen Eigenschaften des Materials. Urueta glaubt fest daran, dass nur noch eine Szene synchronisiert werden muss, um sein notorisches Pech in Glück umzukehren und auch für Montserrat und Tristán das Blatt zu drehen. Die Beiden sind zwar absolut nicht von den wilden Geschichten über den Okkultisten Wilhelm Ewers überzeugt, der hinter Uruetas gescheitertem Filmprojekt steckt, aber sie willigen trotzdem ein ihm zu helfen. Dumm nur, dass anscheinend doch etwas Magie im Film steckt und sie das Kleingedruckte nicht kennen.
“An occultist and a writer. I can’t even remember my appointments for Monday,” he said with a cheeky grin. “But I do admit people can get into bizarre hobbies when they’re in show business. Is that why the film ought to be infamous? Because that German boy said abracadabra and presto?” | Seite 41
Es geht fortan jede Menge schief, und sowohl Montserrat als auch Tristán erleben einige unheimliche Situationen, die mit dem Film in Zusammenhang zu stehen scheinen. Da wirkt das erhaltene Glück mehr wie ein Trostpreis als ein tatsächlicher Preis, und diverse Personen neben Urueta versuchen an das Material und die Beiden zu kommen. Die Kapitel wechseln dabei immer wieder zwischen Montserrats und Tristáns Perspektive, und ich fand beide Charaktere auf ihre eigene Art spannend: Montserrat versackt immer tiefer in Ewers Lehren und der Magie des Films, während Tristán sich seinem eigenen Trauma und festgefahrenem Leben stellen muss.
Moreno-Garcia schafft es in Silver Nitrate super einen als Leser in die innere und äußere Welt ihrer Charaktere mitzunehmen. Für mich haben hier insbesondere die gruseligen Momente wunderbar funktioniert, sodass beispielsweise ein Schatten im Spiegel bereits eine unheimliche Wirkung entfaltet. Neben den beiden Freunden gibt es noch eine Reihe anderer Interessierte an Uruetas Film und seiner Magie, und Silver Nitrate überrascht einen mit einigen Wendungen, wobei immer noch genug Tropen und (Film-)Klischees bedient werden. Für mich bisher eines meiner Jahreshighlights, und ein Buch, dass Moreno-Garcia im Bereich Horror zu einer Insta-Buy-Autorin macht!
Weitere Eindrücke zum Buch gibt es bei The Library Ladies, Jennly Reads und Story and Somnomancy.


