Rezensionsexemplar | Wer kennt es nicht: Man erlebt etwas mit mehreren, aber jeder erinnert sich leicht anders daran und gibt das erlebte unterschiedlich wieder beziehungsweise setzt andere Akzente beim Nacherzählen. Kate Reed Petty nutzt dieses Phänomen der subjektive Wahrnehmung für ihren Debütroman, in dem eine Nacht und die verschiedenen Versionen dieser das Leben mehrerer Personen für immer beeinflusst.
Im Laufe einer Highschool-Party trinkt Alice zu viel, und kann sich dank Filmriss an nichts mehr erinnern. Zwei Jungs haben sie nach Hause gebracht, und bald macht das Gerücht die Runde, das da mehr war – nur war da wirklich mehr? Alice versucht noch zwei Jahrzehnte später die Wahrheit für sich in unterschiedlichen Medien und Kontexten herauszufinden. Und dann ist da noch Nick, der beste Freund einer der Jungs, der ebenfalls von dieser Nacht geprägt wurde. Tatsächlich beginnt True Story mit seiner Perspektive, und dieser Abschnitt stößt einen direkt etwas vor den Kopf, da sie so gar nicht dem gleicht, was man im Vorfeld erwartet.
Die Geschichte springt immer wieder zwischen Alice und Nick hin und her, wechselt in der Zeit und streut andere Formate mit ein: So finden sich beispielsweise kleine Drehbücher im Buch ebenso wie Gesprächsprotokolle oder Alice‘ Versuche ihren Collegeaufsatz zu schreiben.
Francesca hat nie erfahren, was wirklich in dieser Nacht passiert ist. Die Anklage gegen die Täter wurde fallen gelassen, sodass ihr nicht nur die Gerechtigkeit versagt blieb, sondern auch die Wahrheit. […] Gemeinsam beginnen sie die Beweise zusammenzutragen – Heimvideos, Zeitungsberichte und gefundene Aufnahmen – und setzen daraus eine Collage der Geschehnisse in der Highschool zusammen. | Seite 342
Ich mochte dieses Collagenhafte sehr, und wie es die Erzählung der Geschichte unterstützt. Vor allem der Aufsatz, den Alice immer wieder und wieder korrigieren muss, bis er mehr Karikatur als alles andere ist, war genial! Trotzdem hat mich True Story als ganzes eher weniger begeistert: Der Klappentext gibt einem eine gefühlt sehr gradlinige Geschichte vor, die sich auch im Buch verbirgt – aber sie wird dann doch sehr anders umgesetzt? Und mich hätte eher die gradlinige Route interessiert… vor allem, da ich weder für Alice noch für Nick groß Mitleid oder Sympathie hatte. Ja, sie erleben beide furchtbare, traumatische Dinge, aber es gibt keine zufriedenstellende Entwicklungen oder Erkenntnisse der beiden, egal, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Zwischendurch ist das Buch eher so zäh und deprimierend, dass ich eigentlich gar keine Lust mehr hatte weiterzulesen. Und das Ende hat’s dann leider auch nicht besser gemacht. Vielleicht ist es realistisch, das es keine Gewinner sondern nur Verlierer nach dieser Nacht gibt – aber trotzdem hofft man doch zumindest auf einen Silberstreifen am Horizont.
Weitere Eindrücke zum Buch findet Ihr bei ina_introvert, Lust auf Literatur und Anne liest Bücher.
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