Der Anfang ist das A und O – Zehn besondere Buchanfänge

Wenn man es als Leser über ein auffälliges Cover hin zu einem interessanten Klappentext geschafft hat, kommt noch eine große Hürde vorm Lesevergnügen: Der Buchanfang. Die ersten Sätze geben meist einen Eindruck des Stils, fesseln, werfen Fragen auf oder schrecken direkt wieder ab. Den richtigen Schluss für eine Geschichte zu finden ist sicher ebenfalls eine Kunst, aber der Anfang, ja, der ist das A und O! Und manche Buchanfänge sind dabei so besonders, dass sie einem noch lange Zeit später im Kopf bleiben. Nadine und Alex von Letusreadsomebooks haben in ihrem Beitrag Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne Anfang Dezember bereits die für sie besten Romananfänge geteilt, und inspiriert davon habe ich ebenfalls mal in meinen Büchern geblättert. Wiederentdeckt habe ich dabei zehn Buchanfänge, denen für mich ein besonderer Reiz innewohnt und die teilweise seit dem ersten Lesen im Kopf geblieben sind.

This is not for you. | House of Leaves

    • „This is not for you.“ | Mark Z. Danielewski: House of Leaves
      Dieser Satz steht dem Buch vor und fasziniert mich gerade durch seine simple Genialität. Das hier ist nicht für euch  ja, aber für wen denn dann? Je mehr man im Laufe der Geschichte aber über das Haus herausfindet, desto mehr versteht man diesen Satz.
    • „The circus arrives without warning. No announcements precede it, no paper notices on downtown posts and billboards, no mentions or advertisements in loval newspapers. It is simple there, when yesterday it was not.“ | Erin Morgenstern: The Night Circus
      Beim Nachtzirkus stimmt einfach das Gesamtpaket: Geschichte, Charaktere, Sprache. Gerade von letzterer bekommt man gleich zu Beginn einen wunderbaren Eindruck und der wichtigste Handlungsort/Charakter wird vorgestellt, der Zirkus selbst.
    • „In a city by the sea which was once called St. Petersburg, then Petrograd, then Leningrad, then, much later, St. Petersburg again, there stood a long, thin house on a long, thin street. By a long, thin window, a child in a pale blue dress and pale green slippers waited for a bird to marry her. | Catherynne M. Valente: Deathless
      Technisch betrachtet kommt vor dem ersten Kapitel noch ein Prolog, aber es ist der Beginn dieses Kapitels, der im Kopf bleibt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Valente diesen Satz in abgewandter Form mehrfach im Roman benutzt, aber auch die angedeutete (Namens-)Geschichte der Stadt fasziniert.
    • „From July of his sophomore year in college until the following January, all Tsukuru Tazaki could think about was dying.“ | Haruki Murakami: Colorless Tsukuru Tazaki and His Years of Pilgrimage
      Ein Anfang, der direkt Fragen aufwirft. Was ist geschehen, dass dieser Gedanke Tsukurus Gedanken bestimmt? Die Reise über die Jahre ist sehr melancholisch, und die Frage zu Anfang trägt einen regelrecht durchs Buch.
    • „Because their story didn’t end at the right time, in the right place because they let their feelings go to waste, it was written, I think, that Eugene and Tatiana would find each other ten years later, one morning in winter, under terra firma, on the Meteor, Line 14 (magenta) of the Paris Metro. It was quarter to nine.“ | Clémentine Beauvais: In Paris With You
      Mittlerweile habe ich die klassische Vorlage –Eugene Onegin von Alexander Pushkin- zu dieser Geschichte gelesen, und mag das Buch umso mehr für seinen modernen Ansatz. Es ist in Versen geschrieben, und auch ohne diese eins zu eins abzutippen erkennt man sofort den Klang beim Lesen.
    • „It would have been nutritive gel for dinner, same as always, if I had not discovered stuck to my apartment’s front door a paper menu advertising the newly expanded delivery service of a neighborhood restaurant.“ | Robin Sloan: Sourdough
      Möchte ich wissen, wie nutritive gel wohl schmeckt? Eher nicht. Aber dieser Anfang hat mich sofort verwundert. Warum ist die Protagonistin das Zeug? Was ist das für ein Lieferdienst? Und wie wird das Essen etwas verändern? 

    • „On the morning the last Lisbon daughter took her turn at suicide–it was Mary this time, and sleeping pills, like Therese–the two paramedics arrived at the house knowing exactly where the knife drawer was, and the gas oven, and the beam in the basement from which it was possible to tie a rope.“ | Jeffrey Eugenides: The Virgin Suicides
      Wieder ein Buchanfang, der mit Suizid zu tun hat… wobei dieser in Die Selbstmord-Schwestern geschieht und nicht nur eine Überlegung ist. Hier fasziniert alles. Wie, die letzte Schwester? Wieso ein anscheinend weiterer Suizid innerhalb dieser Gruppe? Warum verschiedene Methoden? Und viel wichtiger, was löst die Ereignisse aus? Wirkliche Antworten gibt es zwar nicht, aber die Spekulationen der Nachbarsjungen sowie des Lesers machen das Ganze trotzdem zu etwas besonderem!
    • „Quentin did a magic trick. Nobody notices.“ | Lev Grossman: The Magicians
      Dieser Beginn passt so gut zu der Trilogie und Quentin! Sollte ein Zaubertrick nicht die Aufmerksamkeit eines Publikums erfordern? Nur wieso nimmt es dann niemand war? Dieses unscheinbare und nerdige an Quentin, was hier angedeutet wird, hat ihn mir direkt sympathisch gemacht.
    • „I was raised to marry a monster.“ | Rosamund Hodge: Cruel Beauty
      So simpel wie fesselnd.
    • „Als sie in der Kapsel die Augen aufschlug, erinnerte sie sich an dreierlei. Erstens – sie reiste gerade durchs All. Zweitens – sie würde bald eine neue Stelle antreten, bei der sie es nicht vermasseln durfte. Drittens – sie hatte einen Regierungsangestellten bestochen, damit er ihr eine neue Identität verschaffte. Nichts davon war neu, aber auch nicht gerade das, woran sie denken wollte, während sie aufwachte.“| Becky Chambers: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
      Jeder dieser drei Punkte an sich würde schon das Interesse wecken, gemeinsam sind sie allerdings noch besser. So viele Fragen, Andeutungen, Ideen, Gedanken, die beim Leser hochkommen… so gut!
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      Welche Buchanfänge haben sich bei Euch im Kopf eingebrannt? Oder achtet Ihr vielleicht mehr auf die letzten Worte eines Buches?