Von Rittern, Tafelrunden und unfreiwilligen Helden: Once & Future und King Arthur (2017)

Nacherzählungen und Neuinterpretationen sind immer sehr präsent in Medien, egal, in welchem Bereich man guckt. Mal bleiben die Kreativen dabei dem Original sehr treu, mal gibt es einiges an künstlerischer Freiheit – und teilweise kommt dabei herrlicher Mist heraus. Ich mag die etwas abgedrehten, teils trashigen Ideen eigentlich recht gerne, und habe mir jetzt zwei Interpretationen zur König Artus Legende in der Richtung gegönnt: King Arthur: Legend of the Sword sowie Once & Future von Amy Rose Capetta und Cori McCarthy. Lustigerweise hat mich die Fassung, von der ich es im Vorfeld absolut nicht erwartet hatte, dabei komplett abholen können. Die andere war dagegen… abenteuerlich.

Once & Future | King Arthur (2017)Weiterlesen »

[Gelesen+Gesehen] Weltengänger | Weltenträumer

Eigentlich lebt Kirill Maximov ein ganz normales Leben in Moskau, was sich plötzlich in Luft aufzulösen scheint. In seiner Wohnung findet er abends eine fremde Frau wohnend vor, sein Hund und die Nachbarn erkennen ihn nicht, auf der Arbeit erinnert man sich ebenfalls nicht an ihn und auch die Behörde kann keine Papiere zu ihm finden. Kirill glaubt an einen üblen Scherz, aber damit hat es seine Richtigkeit: Er ist zu einem sogenannten Funktional geworden, besser gesagt einem Zöllner. Fortan soll er einen Übergang zwischen den Welten in Moskau betreuen, und sich mit dieser Rolle abfinden. Wieso, weshalb, warum – Kirill schwirren verständlicherweise eine Menge Fragen im Kopf herum. Die Suche nach den Antworten führt ihn in diverse Welten und spannt sich über die Weltengänger-Romane von Sergej Lukianenko: Weltengänger und Weltenträumer.

Weltengänger | Weltenträumer

Von Lukianenko wollte ich immer noch die Wächter-Romane lesen und hatte vor einer ganzen Weile ein Paket mit diversen Büchern von ihm erstanden, unter anderem auch den Weltengänger-Romanen. Ein Glück, denn der Trailer zur Verfilmung von Weltengänger hat mir riesige Lust auf die Geschichte gemacht! Bevor der Film fürs Heimkino erschien, habe ich mit der Dilogie begonnen und bin recht flott durchgekommen, denn die Geschichte von Kirill ist unglaublich spannend!

Mein letzter und zugleich schrecklichster Gedanke war: Und was, wenn ich das alles bloß träume? | Weltenträumer, Seite 79

Neben unserer Welt existieren in dieser Dilogie noch diverse Parallelwelten, wovon nur wenige Personen bzw. hauptsächlich die Funktionale wissen. Diese üben verschiedene Berufe aus, wobei der des Zöllners einer der spannendsten ist. So bekommt Kirill zum Beispiel einen alten Wasserturm in der Nähe von Bahngleisen als Zollstelle zugeteilt, welcher sein Inneres an Kirills Bedürfnisse anpasst und erst nach und nach preisgibt, welche Welten von dort zu betreten sind. Wenige Meter von meiner Bahnstation steht auch so ein Wasserturm, was meine Fantasie beim Lesen eigentlich nur noch mehr befeuert hat. Nachdem ersten Schrecken über das scheinbare Vergessen seiner Existenz und der Enthüllung seiner neuen Funktion ist Kirill auch zuerst begeistert. Der Turm ist bequem, die Aufgabe recht simpel, der Strand nur eine Tür entfernt genauso wie eine Reihe anderer, fantastischer Welten. Nur eigentlich mochte Kirill sein einfaches Leben und er hinterfragt deshalb viel. Diesen Aspekt mochte ich sehr an ihm, den er nimmt nicht leichtgläubig die Dinge hin, die ihm geschehen. So kommen nach und nach die Schattenseiten der Funktionale zu Tage und das eben nicht alles so toll ist, wie sie versuchen Kirill glauben zu lassen. Kirills erklärtes Ziel ist es daher auch bald, wieder sein altes Leben zurückzugewinnen.

Theoretisch folgen die Weltengänger-Romane eigentlich einer sehr simplen Idee, die vor allem durch den Aspekt der Parallelwelten mehr ausgebaut wird. Gerade im ersten Band fiebert man sehr mit Kirill mit, was sich wohl hinter all den Türen in seinem Turm verbirgt und welche Personen er in den anderen Welten treffen wird. Lukianenko hat für diese Welten wirklich aus dem vollen geschöpft und ich wüsste gerne so viel mehr über so einige von ihnen. Es gibt sehr futuristische Welten ebenso wie antike oder Steam Punk-esque. Das ist auch eine Sache, wo die Verfilmung sehr punkten kann, denn die visuelle Umsetzung ist doch recht beeindruckend.

Weltengänger führt einen gemeinsam mit Kirill in die Welt der Funktionale ein und er erhält bereits einige Antworten zu Ende des Romans. Eigentlich ist es ein recht gutes Ende, denn Kirill stehen einige Optionen offen und trotzdem könnte man hier schon die Geschichte enden lassen. Generell mochte ich diesen Roman sehr, weil er einen so gut mitnimmt und das Mysterium unterhält. Wären ein paar Kommentare von Charakteren nicht gewesen und gäbe es noch einen vernünftigen weiblichen Charakter, hätte ich Weltengänger vollkommen geliebt.

Die Verfilmung habe ich danach gesehen und sie ist wirklich gut geworden – wobei hier ab einem gewissen Punkt die Handlung etwas vom Roman abweicht. Anscheinend muss eine Liebesgeschichte mehr im Fokus für einen Film stehen, aber die Änderungen könnten definitiv interessant für eine Verfilmung von Weltenträumer werden. Gerade die Darstellung der Leine, welche man auch im Trailer sieht (wenn Kirills Knochen durch die Haut schimmern), fand ich sehr gut gemacht. Ähnlich wie der Roman nimmt sich der Film ordentlich Zeit um Kirill und das Leben, was er verliert, vorzustellen und den Kontrast zu seinem neuen als Zöllner herauszuarbeiten. Wie bei vielen russischen Filmen ist der Dialog aber recht spärlich, und ich glaube es kann nicht schaden Vorkenntnisse zur Handlung durch den Roman zu haben.

Weltenträumer setzt nicht lange nach dem ersten Band ein und gemeinsam mit Kirill hetzt man nur so durch die Welten. Das hat zwar Spaß gemacht, aber ich hatte schon beim Lesen etwas bedenken wie das alles vernünftig enden soll, wo durch nur noch so wenige Seiten zu lesen waren… Die Weltengänger-Romane hätten gut und gerne noch ein drittes Buch vertragen können, denn Weltengänger liest sich bis aufs Finale wie ein erstklassiger zweiter Band einer Trilogie. Ich kann mir nicht helfen, aber das Finale wirkte wie dran geklebt und war furchtbar antiklimaktisch. Wenn die geplante Verfilmung da das Ruder irgendwie rum reißen kann, würde mich das wirklich freuen. Trotzdem hat mich diese Dilogie gut unterhalten und auf jeden Fall Lust auf mehr von Lukianenko gemacht. Wer einem Mix aus Fantasy, Science Fiction und Parallelwelten nicht abgeneigt ist, kommt mit den Weltengänger-Romanen sicher auf seine Kosten.


Weitere Eindrücke zu den Büchern bzw. der Verfilmung findet Ihr bei Katis Buecherwelt, Aglayabooks und Buchwurm.


FILMDETAILS | ANZEIGE

ORIGINALTITEL: CHERNOVIK | PRODUKTIONSLAND: RUSSLAND | STUDIO: CAPELIGHT PICTURES (2018, DEUTSCHLAND) | SPIELDAUER: 116 MINUTEN | FSK: FREIGEGEBEN AB 12 JAHREN | REGISSEUR: SERGEY MOKRITSKIY | DARSTELLER: NIKITA VOLKOV, SEVERIJA JANUSAUKAITE, YULIYA PERESILD, IRINA GORBACHEVA UND WEITERE

BUCHDETAILS | ANZEIGE

*WELTENGÄNGER | TASCHENBUCH: 590 SEITEN | ORIGINALTITEL: Черновик | BAND 1 DER WELTENGÄNGER-ROMANE | ÜBERSETZT AUS DEM RUSSISCHEN VON CHRISTIANE PÖHLMANN |  VERLAG: HEYNE (01.11.2007) | ISBN: 978-3453523494 | MEINE BEWERTUNG: 4/5
*WELTENTRÄUMER | TASCHENBUCH: 493 SEITEN | ORIGINALTITEL: Чистовик | BAND 2 DER WELTENGÄNGER-ROMANE | ÜBERSETZT AUS DEM RUSSISCHEN VON CHRISTIANE PÖHLMANN |  VERLAG: HEYNE (26.01.2009) | ISBN: 978-3453524606 | MEINE BEWERTUNG: 2.5/5

[Gesehen] Der junge Karl Marx

Wer sich Karl Marx lieber in beweglichen Bildern annähern mag, kann aus vielen verschiedenen Titeln und Formen auswählen. Dokumentationen, Arthouse Filme, Komödien, Serien… gefühlt für jeden Geschmack ist etwas dabei. Einer der jüngsten Titel ist dabei wohl der Historienfilm Der junge Karl Marx, welche 2017 auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin seine Premiere feierte.

1 - Der junge Karl Marx

Der junge Karl Marx, da ist der Name wahrlich Programm. Im Fokus stehen die fünf wechselhaften Jahre zwischen 1843 und 1848 im Leben von Karl Marx, in denen er eben noch nicht der alte weise Mann mit Rauschebart ist, denn man wohl am ehesten durch die Fotografien von E. Dutertre oder John Mayall vor Augen hat: Marx und seine Weggefährten sind zu dieser Zeit noch junge Männer, deren große Taten und Schriften noch vor ihnen liegen, Marx selber noch keine 30. Das ist definitiv einer der größten Reize des Films, den irgendwie hat es etwas faszinierendes diesen Werdegang und das davor zu sehen. In gewisser Weise sogar doppelt, den über große Strecken sieht man die zeitgleiche Entwicklung von Friedrich Engels, der über das Elend der Fabrikarbeiter in Die Lage der arbeitenden Klasse in England schreibt und Mary Burns begegnet. Es ist eigentlich schade, dass letztere nicht mit auf dem Cover ist, denn der Film zeigt unter anderem sehr gut, welche große Rolle die Frauen Jenny Marx und Mary Burns im Hintergrund für die beiden Männer Marx und Engels gespielt haben.

Das Leben von Marx in diesen fünf Jahren turbulent zu nennen, wäre vermutlich eine Untertreibung. Von Köln über Paris nach Brüssel hin zu London – immer wieder heißt es die Koffer zu packen, da die Familie aufgrund Marx‘ Arbeit des Landes verwiesen wird, und eine stete Arbeit, die die Familie ernähren könnte, ist quasi undenkbar. In diese Zeit fällt aber auch die wahrscheinlich mit bedeutsamste Fügung in Marx‘ Leben: In Paris kommt es zu einem Treffen mit Friedrich Engels, in dem beide erkennen, wie sehr sich ihre Ansichten ähneln. Diese Freundschaft mündet schließlich nach gut zwei Stunden im gemeinsamen Verfassen des Kommunistischen Manifests – vermutlich die stärkste Szene dieser Verfilmung.

„Marx – Das dein Name in Verbindung steht mit einem Marx! […] Schöne Freunde hast du da!“
„Ich habe keinen besseren. Und was er wert ist, das ahnen Sie noch nicht einmal.“

Obwohl durch das Szenenbild immer gut vermittelt wird, wenn sich die Schauplätze ändern, so ist diese Zeit des Umbruchs in Marx‘ Leben keine leicht darstellbare. Ich kann mir gut vorstellen, dass man ohne Vorwissen sich etwas verloren fühlt und die Szenen fast wahllos erscheinen, gerade zu Anfang. Namen werden in den Raum geworfen, Treffen finden statt, aber ohne erkennbaren Einfluss. Dass dieser zumeist in den Schriften und Artikeln von Marx sich findet, kann der Film nur schwer darstellen. Bis auf den Anfang und das Ende verzichtet Raoul Peck auf Voiceover, und teilweise könnte man fast vergessen, das Marx hauptsächlich geschrieben hat. Irgendwie lässt einen das unbefriedigt zurück, gerade zum Ende hin, wo der Film sich allmählich gefunden zu haben scheint und dann fast plötzlich vorbei ist. Bis auf ein paar Spielereien bleibt der Film aber massentauglich und driftet nicht ins zu künstlerische ab, sodass man ihn gut ansehen kann – nur vielleicht liest man im Vorfeld noch mal ein paar Eckdaten von Marx‘ Biografie.


Zum 200. Geburtstag von Karl Marx erscheinen mehrere Beiträge auf meinem Blog. Eine Übersicht über alle Beiträge findest du H I E R.


FILMDETAILS

Originaltitel: Le jeune Karl Marx | Produktionsland: Frankreich, Deutschland, Belgien | Studio: Indigo (2017) | Spieldauer: 113 Minuten | FSK: Freigegeben ab 6 Jahren | Regisseur: Raoul Peck  | Darsteller: August Diehl, Stefan Konarske, Vicky Krieps, Peter Benedict, Olivier Gourmet und weitere