Manche Dekorationen gehören einfach zum Advent dazu: Der Adventskranz und -kalender, Lichterbögen, ein Tannenbaum über und über mit Lametta und Kugeln geschmückt, vielleicht ein Weihnachtsstern oder blühender Weihnachtsstern… und der Nussknacker. Die dekorativen Nussknacker gibt es bereits seit dem 17. Jahrhundert in den unterschiedlichsten Größen und Formen, sodass es nicht verwunderlich ist, das diese Figur Einzug in die Popkultur gehalten hat. Wenn man vom Nussknacker hört, denkt man dabei meist automatisch an das Ballet Der Nussknacker mit der Musik von Tschaikowski anstatt an die literarische Vorlage hierfür: Nussknacker und Mausekönig von E.T.A. Hoffmann.
Nussknacker und Mausekönig ist ein Märchen, welches zu Weihnachten spielt. Die Kinder der Familie Stahlbaum warten zu Beginn auf die Bescherung und rätseln, welche Geschenke sie erwarten werden. Im Laufe des Abends gibt es dann so manche zauberhafte Überraschung, unter anderem einen Nussknacker für die ganze Familie. Als dieser an einer harten Nuss ein paar Zähne lässt, kümmert sich die Tochter Marie liebevoll um die Figur und bleibt abends noch länger wach, um alle Spielzeuge gebührlich in der eigens dafür gemachten Vitrine zu Bett zu bringen. Als Mäuse in die Stube strömen und das Spielzeug zum Leben erwacht, kommen sowohl Marie als auch der Leser aus dem Staunen nicht heraus und im Laufe der Geschichte wird sowohl die Hintergrundgeschichte des Nussknackers erzählt als auch die Geschehnisse der kommenden Nächte.
Ich wende mich an dich selbst, sehr geneigter Leser oder Zuhörer Fritz – Theodor – Ernst – oder wie du sonst heißen magst, und bitte dich, daß du dir deinen letzten, mit schönen bunten Gaben reich geschmückten Weihnachtstisch recht lebhaft vor Augen bringen mögest, dann wirst du es dir wohl auch denken können, wie die Kinder mit glänzenden Augen ganz verstummt stehen blieben, wie erst nach einer Weile Marie mit einem tiefen Seufzer rief: „Ach, wie schön – ach, wie schön,“ und Fritz einige Luftsprünge versuchte, die ihm überaus wohl gerieten. | Aus: Zwölf Berlinische Geschichten aus den Jahren 1551 – 1816, erzählt von E.T.A. Hoffmann, zusammengestellt und erläutert von Hans von Müller. München, 1921
Hoffmanns Geschichte überlässt dabei dem Leser die Entscheidung, ob die Dinge sich wirklich so zutragen oder Marie nur eine lebhafte Fantasie hat. Noch mehr angefeuert wird letztere von der Erzählung ihres Patenonkels Drosselmeyer über die Prinzessin Pirlipat, welche eine märchenhafte Geschichte innerhalb der Geschichte ist. Das Märchen folgt dabei aber nicht den Regeln eines klassischen Märchens und verdeutlicht sehr gut, warum der äußere Schein und erste Eindruck täuschen können und manche Nüsse hart zu knacken sind. So rettet der Nussknacker die Prinzessin zwar, erhält aber nicht die versprochene Belohnung und muss vielmehr selbst durch Marie errettet werden. Knapp 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung von Nussknacker und Mausekönig hat Alexandre Dumas mit Geschichte eines Nussknackers eine Nacherzählung verfasst, die sich sehr stark an die Fassung von E.T.A. Hoffmann hält. Die Geschichte wird dabei allerdings um eine Rahmenhandlung ergänzt, in welcher Dumas eine Gruppe Kinder die Geschichte von Hoffmann wiedergibt.
Egal, welche Fassung der märchenhaften Geschichte des hässlichen Nussknackers man liest: Es ist eine wunderbare Lektüre für die Zeit um Weihnachten! Die Vorfreude auf die Bescherung, das Staunen über die Geschenke und generell die Bräuche lassen den Leser direkt selber wieder Kind sein und das Abenteuer in der Nacht ist absolut mitreißend. Warum hegen die Mäuse einen Groll? Und was kann man dagegen unternehmen? Ich habe mit Marie mitgefiebert und fand es ganz wunderbar, wie dieses Märchen an die Fantasie der Kinder appelliert. Die Geschichte ist zudem sehr gut gealtert und lässt sich recht leicht lesen, was für Klassiker immer ein großes Plus ist. Neben dem Ballet Der Nussknacker gibt es gerade an Filmen diverse Adaptionen des Stoffes, welche sich mal mehr oder weniger stark an die Vorlage halten. Bestes Beispiel dafür wäre Disneys Der Nussknacker und die Vier Reiche, welches mir fast zu entzaubert erschien… der Roman zum Film ist besser, aber leider auch nicht gut.
Wer eine Geschichte mit Weihnachtsstimmung sucht, einfach nur gerne eine schelmische Erklärung für die Redensart „eine harte Nuss knacken“ hätte oder nicht genug vom Balletstück bekommen kann, ist bei den Märchen von Hoffmann und Dumas goldrichtig! Und mit je unter 100 Seiten lässt sich die Lektüre leicht in der sonst so stressigen Vorweihnachtszeit unterbringen.
