Gut ein Jahr ist es bereits her, dass sich die Crew der Wayfarer auf ihrem Weg zu einem kleinen zornigen Planeten in mein Herz schlich – wie schnell doch die Zeit vergeht! Der erste Roman von Becky Chambers war definitiv eines meiner Jahreshighlights und lange habe ich nicht mehr so sehnlichst auf eine Fortsetzung gewartet. Klar hätte ich Zwischen zwei Sternen schon längst auf Englisch lesen können, aber ich hatte bereits bei der Übersetzung im ersten Roman das Gefühl, dass ich auf Deutsch doch viel mehr Feinheiten und Nuancen erfassen kann – gerade was zum Beispiel die Personalpronomen anbelangt. Denn diese Zukunftsvision, die Chambers uns in ihren Romanen erleben lässt, lebt vor allem durch ihre Diversität und wunderbare zwischenmenschliche Interaktionen, bei denen viel im Detail steckt. Im Fokus von Zwischen zwei Sternen steht dabei vor allem ein Charakter: Lovelace, das frühere KI-System der Wayfarer.
Ding oder Wesen?
Zwischen zwei Sternen ist keine direkte Fortsetzung zu Chambers‘ erstem Roman, sondern ist ein Roman aus dem Wayfarer-Universum. Wer den ersten Roman gelesen hat, hat die wunderbare Lovelace bereits kennengelernt und weiß, vor welch schwerer Entscheidung sie stand. Mit den Konsequenzen dieser Entscheidung gilt es sich nun in diesem Roman zu arrangieren: Statt ein Raumschiff zu überwachen, ist sie nun regelrecht eingepfercht in ein beschränktes Bodykit und muss sich mit diversen Eigenarten, die ein Körper so mit sich bringt, anfreunden. Dabei stellt die Autorin nicht nur an Lovelace die Frage, ab wann eigentlich die Grenze zwischen Wesen und Maschine verschwimmt, wie sich das Konzept Körper mit und ohne Modifikationen verändert und generell Miteinander funktioniert. Zwischen zwei Sternen bleibt dabei ein Buch, welches einen zwar zum Nachdenken anregt, sich aber nicht ausschließlich um diese philosophischen bzw. ethischen Fragen dreht – Chambers flechtet sie einfach nur geschickt mit ein. Ebenso wie den wieder großartigen und respektvollen Umgang zwischen den verschiedenen Kulturen und Spezies.
Mütter und Töchter
Neben Lovelace lernt der Leser noch Pepper sehr gut kennen, die sich in der Gegenwart als gute Freundin für Lovelace erweist – und in einem Handlungsstrang, der rund 20 Jahre zuvor einsetzt, ganz ähnliche Erfahrung wie sie macht. Mit Pepper gibt es einige Parallelen, allen voran zur Thematik von Müttern und Töchtern, und ich kann schwer sagen, welchen Handlungsstrang ich am Ende gelungener fand. Man wünscht beiden Charakteren einfach nur das Beste und fiebert bis zum Schluss mit, ob sich doch noch alles ins Positive wandelt und wie genau die Handlungsstränge ineinander laufen. Zwar schreibt Chambers eine Wohlfühl-Space-Opera wenn man so mag, aber das bedeutet halt nicht, dass ihren Charakteren keine schlimmen Dinge widerfahren und sie nur mit rosaroten Brillen auf den Augen durchs Weltall stapfen. Eigentlich ist das fast mit eine der Tatsachen, die ich so sehr an beiden Romanen schätze: Dass diese Charaktere trotz allem sich ihre Hoffnung bewahren, und immer noch mit so viel Respekt und Wertschätzung anderen begegnen. Sich ihren eigenen Vorurteilen bewusst werden und diese hinterfragen. Einfach, dass der Wille für ein gutes Miteinander da ist und gelebt wird.
Zuhause
Waren wir mit der Wayfarer im Weltraum selbst unterwegs, so befinden sich Lovelace und Pepper in diesem Roman mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Zwei sehr unterschiedliche Planeten lernt man durch ihre Augen kennen, wobei sich der Begriff von Zuhause immer wieder anders definiert. Wie sehr prägt uns unsere Umwelt eigentlich? Und was sagt unser Zuhause über uns aus? Es wird immer wieder auf Details eingegangen, die mal mehr oder weniger relevant für die Handlung sind, die Welt aber sehr greifbar und glaubhaft gestalten. So ist Pepper zum Beispiel vernarrt in eine Art Virtual Reality Spielereihe, von der sie ebenfalls Figuren sammelt. Sind diese Figuren wichtig? Nein. Aber ratet mal, wer sich sofort an Funko Pops erinnert fühlte und Peppers Sammelwut verstand.
„Sie tauchten in die Menge ein, Hunderte von Gesichtern, Hunderte von Namen, Hunderte noch andauernde Geschichten. Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt.“ | Seite 233
Es gibt in Zwischen zwei Sternen keine Weltraumschlachten oder epische Abenteuer. Tatsächlich ist es vielmehr der Weg von Lovelace durch Krisen des Alltags hin nach Hause – diesem einen Ort, an dem wir uns alle sicher und geborgen fühlen. Dieser Ort wird dabei nicht nur durch Räumlichkeiten definiert, sondern auch durch die Personen, mit dem wir unser Leben teilen. Und obwohl ich auch gerne von Weltraumschlachten und dergleichen lese: Ab und an braucht es solche Romane wie die von Chambers einfach. Im Sommer erscheint im Englischen das dritte Buch aus dem Wayfarer-Universum, und ich hoffe, dass wir auf die deutsche Übersetzung nicht allzu lange warten müssen.
Weitere Eindrücke zum Buch findet Ihr bei Weltenwanderer, CocuriRuby und Der phantastische Bücherschrank.
BUCHDETAILS | ANZEIGE
Verlag: FISCHER Tor
ISBN: 9783596035694
Erscheinungsdatum: 25.01.2018
Übersetzerin: Karin Will
Bewertung: 5/5

Ich habe gerade letzte Woche „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ gelesen, war schwer begeistert und freue mich seitdem auf die Fortsetzung. Umso schöner, jetzt zu erfahren, dass in hoffentlich absehbarer Zeit ein weiteres Buch erscheint. Vielen Dank für die Info!
Das Buch habe ich auf Englisch auch noch auf meinem Kindle rumfliegen 🙂 Ich fand es im ersten Teil auch schon super, wie Becky Chambers es geschafft hat ohne große Weltraumschlachten einen spannenden Sci-Fi-Roman zu schreiben und dabei noch so viele Themen zum Nachdenken aufwirft. Es freut mich zu hören, dass es auch im Folgeband so weitergeht.
Vielen Dank für die schöne Rezension!
Liebe Grüße
Anja
[…] den Sternen, den zweiten Roman im Wayfarers-Universum, habe ich ebenfalls gelesen und berichte h i e r […]