[Gelesen] Das göttliche Mädchen

Rezensionsexemplar | Märchen und Mythologie faszinieren mich ungemein, und ich finde es immer spannend zu sehen wie Themen oder Geschichten aus diesen in Büchern neuinterpretiert werden. Eine der einprägsamsten Geschichten aus der griechischen Mythologie ist die von Hades und Persephone, welche den Wechsel der Jahreszeiten erklärt. Aimée Carter hat diese als Grundlage für ihre Trilogie The Goddess Test genutzt, deren erster Band Das göttliche Mädchen ist. Hierin sind Hades und Persephone nicht mehr zusammen und es braucht eine neue Königin für die Unterwelt. 11 Mädchen sind an den Tests hierfür bereits gescheitert, sodass die Chancen für Kate Winters nicht gerade rosig aussehen…

Der Tod im Nacken

Zu Beginn des Buches zieht die junge Kate mit ihrer Mutter Diana zurück in deren Heimatstädtchen Eden. Seit einigen Jahren quält sich Diana mit einer Krebserkrankung und es ist absehbar, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. Dies bestimmt zum Großteil das Leben ihrer Tochter, die sich mehr um sie kümmert als beispielsweise Freundschaften in der Schule zu schließen. In Eden verbessert sich das etwas bis ein dummer Streich fürchterliche Konsequenzen mit sich bringt – und nur eine Vereinbarung mit dem mysteriösen Henry diese zu lösen scheint.

Ein Winter voller Probleme

Das göttliche Mädchen fängt schon etwas zwiegespalten an: Der Prolog soll den Leser natürlich neugierig machen und stellt uns Henry kurz vor. Allerdings schlägt ein Charakter eine etwas fragwürdige Lösung für Henrys Problem in dieser Szene vor und diese wird nur problematischer je mehr man später über diesen Charakter erfährt.  Mit Romantik hat das recht wenig zu tun…

Vorsicht beim Aufklappen, Spoiler!

Seine „Schwester“ nimmt eine sterbliche Hülle an und kriegt nur für ihn noch eine Tochter, damit sie die perfekte Kandidaten haben – Demeter fühlt sich nämlich schuldig, damals die unglückliche Beziehung zwischen Hades und Persephone arrangiert zu haben… Wer will nicht quasi nur als Ersatz für den Ehemann der eigenen Halbschwester geboren werden?

 

Das göttliche Mädchen

Generell ist Das göttliche Mädchen voll mit schwierigen Momenten und Szenen, und unterhält weniger als das es furchtbar aufregt. Das fängt schon damit an, dass die Autorin immer wieder zwischen den Zielgruppen wechselt und mal süßes Jugendbuch, mal heißen New Adult Roman zu schreiben versucht. Da kommt es schon mal zu einer recht süßen Szene mit Kuss zwischen den Charakteren vor einem Absatz, und -zack!- danach heißt es in einem Nebensatz auf einmal, dass sie Sex hatten. Ähmm, gut, dass der Nebensatz mir das als Leser verrät, denn herauslesen konnte ich das in dem Moment nicht.

„Was glaubst du, was er ist?“
Ich runzelte die Stirn und erinnerte mich an Avas Worte.
„Ein sehr einsamer Kerl.“ | Seite 81

Neben Henry trifft Kate noch auf weitere Götter der griechischen Mythologie im Verlauf des Winters, welche auch für die Tests verantwortlich sind. Und hier findet sich eigentlich mein größtes Problem, weil mir nicht klar wird, warum Carter unbedingt dieses Element einbringen wollte. Alle Götter haben moderne, neue Namen, wir sehen quasi gar nichts von ihren Kräften oder Tätigkeiten – warum zum Kuckuck also Götter? Es gibt so viele x-beliebige Möglichkeiten Unsterbliche ihre Seelengefährten finden zu lassen, dass man sehr leicht einen sinnigeren Hintergrund für die Geschichte um Henry und Kate gefunden hätte. So haftet dem göttlichen Mädchen immer etwas erzwungenes an, was durch die Tests, die auf den sieben Todsünden basieren, nicht besser wird.

Träume und Realität

Kate weiß nicht, wann und wie sie geprüft wird und die Tests an sich versprechen als Idee noch etwas Spannung. Die Realität sah dann leider etwas anders aus, denn von fast allen Tests erfahren Kate und der Leser erst im Nachhinein, dass es Tests waren, und eigentlich sind ihre Vorgängerin auch an etwas ganz anderem gescheitert. Den größten Teil des Buches verbringt Kate so in wechselnden hübschen Kleidern, lernt Mythologie, verliebt sich in Henry und lässt sich fast alles in den Schoss fallen. Gähn! Sie hat zwar Angst vor Wasser, aber ansonsten ist Kate geradezu glatt und perfekt. Selbst nach der stereotypischen Tollpatschigkeit sucht man bei ihr vergebens.

Ein Handlungsstrang, den ich über weite Strecken ganz nett fand, waren die Traumausflüge mit ihrer Mutter. Weil Kate den ganzen Winter das Anwesen von Henry nicht verlassen darf, kann sie nur in ihren Träumen mit ihr Zeit verbringen -mit die einzige göttliche Kraft, die wir im Roman zu sehen bekommen- und Diana von den Ereignissen berichten. In Hinblick auf den Schluss hinterlassen diese Szenen bei mir dann aber einen faden Beigeschmack, da sie Kate unterschwellig hinters Licht führen und was manipulierendes haben.

Seicht mit Anhang

Ich bin ehrlich: Der einzige Grund, warum ich mich durch dieses Buch gekämpft habe, war die Tatsache, dass es ein Rezensionsexemplar ist. Auch wenn es sich in der Vergangenheit noch nicht häufig bewährt hat, haben Bücher ja immer noch die Chance das Blatt im Verlauf ihrer Handlung zu wenden und sich zu steigern – Das göttliche Mädchen hat das leider für mich nicht geschafft. Es blieb die ganze Zeit über seicht und abstrus, und hat es zumindest etwas geschafft den Geist der griechischen Mythologie einzufangen: Kaum nachvollziehbare Familienverhältnisse, Eifersucht als Katalysator und merkwürdige Moral. Weil ja, leider ist sowas wie Slut-Shaming in diesem Buch auch noch Thema. Die Liebe zwischen Kate und Henry habe ich leider nicht gespürt, da ich beiden Charakteren nicht nah gekommen bin, und so vieles hat mich einfach nur aufgeregt. Und als es dann vorbei war, ha, Überraschung!, war es doch noch gar nicht vorbei: Neben Das göttliche Mädchen sind auch zwei Kurzromane zu Kate und Henry im Taschenbuch mit abgedruckt. Einerseits schon toll, da solche Kurzromane oder Novellen sonst ja immer digitale Extras zu Büchern sind, andererseits wollte ich zu dem Zeitpunkt nur das es endlich endet. Gott der Finsternis gibt einen Einblick in Henrys Dasein vor Kate, in Die vollkommene Kämpferin wird Kates Sommer nach dem ersten Band beschrieben sowie die Geschichte von Castor und Pollux eingebunden.

Ich bin mit meinem negativen Eindruck der Geschichte Teil der Minderheit, sodass ich jedem im Vorfeld einfach empfehlen würde in die Leseprobe des Verlags rein zu lesen. Der Stil ist ganz ordentlich, der mythologische Aspekt bleibt recht oberflächlich und man kann sich sicher einfach von der Geschichte berieseln lassen. Wer nach tiefgründigeren Nacherzählungen zu griechischer Mythologie sucht, sollte sich aber lieber Das Lied des Achill von Madeline Miller oder Margaret Atwoods The Penelopiad anschauen.


Weitere Eindrücke zum Buch findet Ihr bei Seductive Books, Luna’s Leseecke und Mein Bücherchaos.


BUCHDETAILS | ANZEIGE

TASCHENBUCH: 460 SEITEN | ORIGINALTITEL: THE GODDESS TEST | ÜBERSETZT AUS DEM AMERIKANISCHEN VON FREYA GEHRKE | BAND 1 DER GODDESS TEST TRILOGIE | IM TASCHENBUCH SIND ZUDEM DIE ZWEI KURZROMANE DIE VOLLKOMMENE KÄMPFERIN UND GOTT DER FINSTERNIS ABGEDRUCKT | VERLAG: HARPER COLLINS (13.11.2017) | ISBN: 978-3959671651 | HARPER COLLINS HAT MIR FREUNDLICHERWEISE EIN REZENSIONSEXEMPLAR ZUR VERFÜGUNG GESTELLT, WAS MEINE MEINUNG ALLERDINGS NICHT BEEINFLUSST. | MEINE BEWERTUNG: 1/5

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