[Gelesen] The Hike

Eigentlich will Ben nur etwas Zeit vor einem Geschäftstermin totschlagen, und einen kleinen Wanderpfad im ländlichen Pennsylvania begehen – eine fatale Idee, wie sich bald herausstellt, denn dieser Pfad ist kein gewöhnlicher. Gemeinsam mit Ben findet sich der Leser in einem surrealen Alptraum von Wandertrip wieder, bei dem sprechende Krabben, Riesen, Trugbilder, Dämonen und spanische Seefahrer nur die Spitze des Eisbergs sind. Und dabei möchte der Protagonist in Drew Magarys The Hike nur eins: Wieder nach Hause kommen.

The Hike

Folge dem Pfad von A nach B, erfülle Aufgaben, besiege die Bösewichte und am Ende bist du frei. Kommt einem als Formel irgendwie bekannt vor, oder? Nicht ohne Grund wird im Klappentext bereits auf Videospiele verwiesen, und Karo hat sich in ihrem Eindruck zum Buch auf Fiktion fetzt. auch direkt an „Adventure-Computerspiele à la Monkey Island“ erinnert gefühlt. Dieses Gefühl kommt vor allem durch die Dialoge und Lösungen für Probleme auf, die teils herrlich abstrus und doppeldeutig sind und eins zu eins aus einem Thimbleweed Park oder Edna bricht aus stammen könnten. Wenn man Spiele dieser Machart kennt, auf jeden Fall ein guter Ansatz um festzustellen, ob man sich überhaupt mit Ben gemeinsam diesen Pfad antun mag. Auf dem Pfad selbst lauern allerlei Gefahren, die teilweise in Richtung Horror schwanken, wobei der Humor dazu ein starkes Gegengewicht ist und es eigentlich nur an ein, zwei Stellen mal etwas gruseliger wird.

Der Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist Ben, ein Familienvater mittleren Alters, an dem eigentlich nichts besonderes ist, von einer Narbe aus Jugendtagen mal abgesehen. Ich mochte ihn sehr, weil er gefühlt wirklich ein alltäglicher, realistischer Charakter ist, der auch durchweg verständlich reagiert und auf seinem Weg wächst. Denn so viel sei verraten, mit Ben verbringt man wirklich viel Zeit auf dem Pfad, und das nicht nur, was die Seitenzahl anbelangt. So gradlinig, wie sich das ganze anhört -dem Pfad schlicht bis zum Ende folgen- ist es dann nämlich doch nicht. Abkürzungen? Vergiss es. Nach Hause telefonieren? Ist nicht. Ben muss sich den Regeln des Pfads komplett unterwerfen, quasi als Hauptquest den sogenannten Producer finden und dabei irgendwie am Leben bleiben. Bekommt man da nicht direkt selbst Lust wandern zu gehen?

The Hike

Glücklicherweise bleibt Ben nicht die ganze Zeit auf sich allein gestellt, sondern bekommt mit Crab, Fermona und Cisco tolle Nebencharaktere an die Seite gestellt. Gerade mit Crab hätte ich noch viel mehr Szenen lesen können, weil diese Krabbe einfach genau sagt was sie denkt und so herrlich griesgrämig ist! Über die Ereignisse auf dem Pfad mag ich gar nicht zu viel sprechen, allerdings schägt die Handlung immer wieder Haken und der Twist zum Schluss tanzt genau auf der feinen Linie zwischen genial und wiederum zu viel.

„Don’t you find it remarkable that you were born into such a wondrous time in history? The most advanced technological civilization in the history of the universe. The richest country in that civilization. The most advanced species on that lucky little planet of yours. […] Doesn’t that strike you as unfathomably lucky?“ | S. 268

Wie das immer so ist bin ich nur rein zufällig über The Hike gestolpert, und Schuld trägt dabei das außergewöhnliche Cover: Was Will Sweeney (Illustrationen) und Paul Buckley (Design) da zusammengestellt haben, ist einfach ein richtiger Eyecatcher, der sofort neugierig macht und super zur Geschichte passt. Der Klappentext und die Blurbs von Charles Yu und Jeffrey Cranor taten dann ihr übriges, und so ist das Buch recht schnell bei mir eingezogen. Und was soll ich sagen, fast dreihundert Seiten oder vielmehr acht Stunden später -ich habe überwiegend das Hörbuch gehört- ist es eines meiner Lieblingsbücher. Etwas verschroben, witzig, tragisch, fantastisch und eigen ist es vielleicht nicht für jeden was, aber auf jeden Fall ein Wandertrip, den man so schnell nicht vergisst.


BUCHDETAILS | ANZEIGE

HARDCOVER: 278 SEITEN | EINZELBAND | VERLAG: VIKING (02.08.2016) | ISBN: 978-0399563850 | VON  BRILLIANCE AUDIO GIBT ES EINE HÖRBUCHFASSUNG MIT CHRISTOPHER LANE ALS SPRECHER | MEINE BEWERTUNG: 4.5/5

3 Gedanken zu “[Gelesen] The Hike

  1. Hach, meine Wunschliste ist doch schon lang genug :D Schon in deiner ,,Freitagslektüre“ hat mich ,,The Hike“ neugierig gemacht, und jetzt hast du mich echt überzeugt. Das klingt so herrlich surreal und fantastisch :3
    Eine echt schöne Rezension :)

    Liebe Grüße,

    Sana von gewisperteworte.blogspot.de

    • Hallo Sana,

      Wunschlisten sind aber doch prädestiniert dafür aus allen Nähten zu platzen :D
      Es freut mich, dass die Begeisterung doch überschwappt – solltest du es je lesen, lass mich auf jeden Fall deinen Eindruck wissen!

      Liebe Grüße
      Janine

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