
Einzelbände sind genau mein Ding. Wirklich, gibt man mir die Wahl zwischen Reihe und Einzelband, dann gewinnt eigentlich immer letzterer. Alles direkt kompakt und mit Schleife drum, keine nervige Warterei auf den nächsten Teil und schon gar nicht das Problem von aus den Augen aus dem Sinn, denn: Ich vergesse meine angefangenen Reihen furchtbar gerne. Dass das manchmal von Vorteil sein kann, habe ich jetzt wieder im Dezember gemerkt als ich endlich zu The Bear and the Nightingale von Katherine Arden gegriffen habe. Das Buch hat mich quasi von Anfang an begeistert, sodass ich The Girl in the Tower sowie The Winter of the Witch schon während des Lesens bestellt habe. Glücklicherweise kamen die Bücher dann so rasch an, dass ich die ganze Trilogie in einem Monat fast am Stück lesen konnte. Da ich nicht spoilern will, aber die Trilogie als ganzes betrachtet mehr Sinn macht, gibt es die Gründe für meine Begeisterung im folgenden statt als Fließtext mal als Stichpunkte.
- Die Geschichte ist in Rus im 14. Jahrhundert angesiedelt, wobei zwar Moskau ein wichtiger Handlungsort ist, es aber halt noch nicht Russland als solches gibt.
- Es dreht sich im Kern um den Weg einer jungen Frau in einer Zeit, wo sie kaum Spielraum hat. Heirat oder Kloster, das ist hier die Frage – oder doch etwas drittes?
- Man lernt nebenbei geschichtliche Details wie vom Terem oder die Tributzahlungen an die goldene Horde.
- Allgemein steht die ganze Familie von Vasilisa Petrovna im Fokus, und wie sie unfreiwillig in die Geschehnisse hineingezogen wird. Dabei sind gerade die verschiedenen Lebenswege der Brüder und Schwestern spannend zu verfolgen, und wie sie exemplarisch für die limitierten Möglichkeiten in dieser Zeit stehen.
- In allen drei Büchern finden sich zuhauf Sätze, die ich mir am liebsten rot markiert hätte – einfach ob ihrer tollen Formulierung oder der Wahrheit in ihnen.
- Es prallen alter Glauben und neuer Glauben aufeinander, und die Frage, ob diese nebeneinander existieren dürfen oder das Christentum allein das Wahre ist. Und das nicht nur metaphorisch, denn Vasilisa kann dank ihrer Veranlagung die Chyerti (=Wesen der russischen Folklore und Märchen) tatsächlich sehen und mit ihnen interagieren, sie ist quasi eine Vermittlerin zwischen den Welten.
- Arden wählt ein ganz bestimmtes historisches Ereignis als Schlusspunkt für die Trilogie und einige Charaktere sind von realen Personen inspiriert, worauf sie in ihren Anmerkungen bzw. Nachwort eingeht.
- Als Leser sehen wir Vasilisa aufwachsen, wodurch man ihre Überzeugungen und Eigenheiten verstehen lernt. Der Begriff Wildfang ist wie für sie gemacht!
- Alle Charaktere sind tiefgründig und so ausgearbeitet, dass man selbst den vermeintlichen Bösewicht und seinen Antrieb verstehen kann.
- Morozko und der Bär sind beide auf ihre Art verführerisch und abstoßend zugleich.
- Mit Solovey steht Vasilisa ein wunderbares sprechendes Pferd zur Seite – wahrscheinlich mein liebster Charakter in der Trilogie! Wobei alle Pferde toll sind.
- Es gibt eine Liebesgeschichte ohne erzwungenes Dreieck, die aber angenehmerweise nicht im Mittelpunkt steht. Sie entwickelt sich neben der eigentlichen Handlung und wirkt dadurch viel authentischer als man sonst gewohnt ist, plus sie ist nicht Vasilisas ganze Motivation, sondern eher ein Nebenprodukt der Ereignisse.
- Es braucht im Vorfeld kein Wissen über die Chyerti, da Arden alles wunderbar erklärt und sich alle Informationen noch einmal hinten im Glossar finden.
- Das Glossar an sich ist wunderbar in allen drei Bänden.
- Die Trilogie ist gefühlt eine Geschichte aufgeteilt in drei Bücher, sodass gar nicht erst die typischen Probleme auftreten. Kein unnützes Drama, um im zweiten Band (Liebes-)Chaos aufkommen zu lassen, kein sich ziehender Plot oder oder oder.
- Vasilisa verkleidet sich an einigen Stellen als Mann und es ist immer interessant zu beobachten, wie unterschiedlich Charaktere mit ihr umgehen, je nachdem, welches Geschlecht sie gerade bei ihr vermuten.
- Die weiblichen Charaktere stehen generell mehr im Fokus und sind stark dabei! Das fängt mit Vasilisas Mutter an, die unbedingt noch diese besondere Tochter gebären möchte, aber auch Dunya oder Olga mochte ich gern. Selbst die Stiefmutter hat etwas faszinierendes an sich, obwohl sie einen unglaublich aufregt mit ihrer Art und Verblendung.
- Es ist nicht viel, aber etwas Politik findet sich ebenfalls in den Büchern. Das kommt davon, wenn der Cousin Großfürst ist und ein Krieg in der Luft liegt.
- Der Großteil der Geschichte spielt im Winter, und dieser liest sich gefährlich und betörend zugleich. Kein Wunder, wenn einer der Hauptcharaktere Väterchen Frost ist! Das macht die Winternight Trilogie nebenbei auch zur perfekten Winterlektüre.
- Das reale und fantastische überlagern sich, und ich fand gerade die Übergange immer toll. Und obwohl es einen historischen Kontext für die Geschichte gibt, gibt es keine Karte und es werden nur eine handvoll realer Orte erwähnt.
- Es findet sich für jeden Geschmack was, Geister, Vampire, Dämonen, Hexen, der edle Ritter auf seinem weißen Ross… und es funktioniert dabei merkwürdigerweise.
- Magie zu wirken hat Konsequenzen: Eine Tatsache, die ich in fantastischen Geschichten immer mag. Genauso, dass man Wunden zwar heilen kann, trotzdem aber Narben zurückbleiben. Alles hat seinen Preis.
- Ein paar Punkte bleiben am Ende offen, wobei das gut so ist. Würde Arden alles aus erzählen, wo wäre da der Raum für die eigene Vorstellung?
“Now hear me. Before the end, you will pluck snowdrops at midwinter, die by your own choosing, and weep for a nightingale.” | ausThe Bear and the Nightingale, S. 158

Ich war auch total begeistert vom ersten Teil. Vasya ist so ein interessanter Charakter. Allerdings war „The Bear and the Nightingale“ doch ziemlich lang und zurzeit fällt es mir schwer, bei längeren Büchern dran zu bleiben. Weshalb ich nicht weiß, ob und wann ich die weiteren Teile in Angriff nehme. Eine Rezension hatte ich übrigens auch mal geplant, aber die ist nie fertig geworden *hust*
Hmm, dann würde ich doch noch einen Moment abwarten: ‚The Bear and the Nightingale‘ hat zwar ein paar offene Fragen, aber ist in sich doch recht gut geschlossen – beim zweiten Band kannst du nicht die Reihe beenden, ohne unzufrieden zu sein. Gefühlt hat die Handlung im dritten Band einfach weitergemacht und ich war selber sehr froh, kein ganzes Jahr auf ‚The Winter of the Witch‘ warten zu müssen.
Vielleicht kommst du ja noch mal später dazu? Ansonsten schreibst du halt lieber an anderen Artikeln weiter, manchmal passt es mit einigen Beiträgen auch nicht.