Gelesen | Romantic Outlaws: The Extraordinary Lives of Mary Wollstonecraft and Her Daughter Mary Shelley

Egal, was für abstruse Szenarien und Geschichten man sich ausdenkt – die Realität setzt mit Sicherheit noch einen drauf. Ich bin jedes Mal wieder erstaunt darüber, was sich teilweise in den Leben von Personen abgespielt hat, welche Hürden und Schicksalsschläge gemeistert werden mussten und wie komisch-tragisch manche Zufälle doch waren. Diese Dinge finden sich auch in der Doppelbiografie Romantic Outlaws von Charlotte Gordon, und selten haben mich zwei Lebensgeschichten so mitgenommen wie die von Mary Wollstonecraft und ihrer Tochter Mary Shelley.

Romantic Outlaws

Mary Shelleys Leben wird von Anfang an durch zwei Tatsachen dominiert: 1. Sie ist die Tochter zweier großer Schriftsteller und Philosophen, ergo muss sie ebenfalls literarisch großes leisten, und 2. ist sie der Grund für den frühen Tod ihrer Mutter. Mary Wollstonecraft stirbt im Kindbett nur 10 Tage nach der Geburt ihrer Tochter, ein Ereignis, mit dem die Biografie und ihre Geschichte beginnt. Mit jedem Kapitel wechselt Gordon zwischen den Frauen hin und her, wobei Wollstonecrafts Geschichte mit dem Ende beginnt und danach von ihrer Kindheit an zu diesem Ereignis hinführt, während Shelleys Leben von Geburt bis Tod chronologisch erzählt wird. Dabei versucht Gordon Gemeinsamkeiten und Parallelen zwischen Mutter und Tochter zu finden, die dann wie Echos zwischen den Zeilen zu finden sind – ein toller Ansatz, der mehr als glückt. Dabei hängt aber natürlich das Wissen über Wollstonecrafts Ende wie eine Wolke über dem Leser, und auch einige Tragödien in Shelleys Leben werden bereits angedeutet bevor sie tatsächlich eintreffen.

Ich mochte an Gordons Schreibstil vor allem, wie zugänglich sie die Lebensgeschichten für den Leser macht. Sie beschreibt unter anderem die Lebensumständen und den Zeitgeist, wodurch man beispielsweise besser versteht, warum einige Entscheidungen der Frauen so kontrovers von der damaligen Gesellschaft diskutiert wurden. Dazu gibt es immer wieder Ausschnitte aus Briefen, Tagebüchern oder den Werken der erwähnten Personen, was diese zum einen greifbarer und zum anderen Gordons Rückschlüsse verständlicher macht. Die Sprache bleibt dabei einfach und lebendig, sodass man Gordon ohne Vorwissen und wissenschaftlichen Hintergrund gut folgen kann.

It is a sobering tale, the rise and fall of both Marys, since it so clearly points to how difficult it is to know the past and how mutable the historical record can be. | S. 545

Mary Wollstonecraft und Mary Shelley werden nicht nur als wegweisende Autorinnen, sondern auch als außergewöhnliche und mutige Frauen gezeigt, die zu Unrecht lange Zeit falsch oder kaum von der Geschichte gezeichnet wurden. Daneben thematisiert Gordon die bedeutenden Werke beider Frauen, gibt einen Zusammenhang zum jeweiligen Schaffensprozess, der Intention der Autorinnen und die Rezeption durch ihre Zeitgenossen. Gerade letzteres fand ich immer wieder unglaublich spannend, da die Meinungen da doch stark auseinander gingen und sich auch hier wieder Parallelen zwischen Mutter und Tochter finden. Ein Leben ohne das Schreiben wäre für beide sicherlich nicht vorstellbar gewesen, aber beide Frauen waren gleichzeitig noch so viel mehr als nur ihre Hauptwerke –Verteidigung der Rechte der Frau (Mary Wollstonecraft) und Frankenstein (Mary Shelley). Schon allein ein solch ein Leben in Worte zu fassen ist eine kaum fassbare Leistung, und natürlich sind zwei Leben entsprechend eine noch größere Aufgabe – und eine, die entsprechend Raum benötigt. Romantic Outlaws ist mit über 540 Seiten reinen Text -gut 100 Seiten sind für Notizen, Glossar und dergleichen reserviert- ein echtes Schwergewicht, aber eines, das den Leser ordentlich für die investierte Zeit entlohnt.


BUCHDETAILS | ANZEIGE

TASCHENBUCH: 672 SEITEN | VERLAG: WINDMILL BOOKS (25.02.2016) | ISBN:  978-0099592396 | MEINE BEWERTUNG: 5/5

8 Gedanken zu “Gelesen | Romantic Outlaws: The Extraordinary Lives of Mary Wollstonecraft and Her Daughter Mary Shelley

  1. Hej,
    das klingt echt richtig interessant. Frankenstein habe ich vor einiger Zeit mal gelesen, mich aber nicht weiter mit Mary Shelley beschäftigt.
    Das Buch wandert auf meine Wishlist.

    Alles Liebe

  2. Schöne Rezension! Ich habe das Buch letztes Jahr gelesen und fand es trotz einiger Längen auch super interessant. Zwischendurch habe ich glatt vergessen, dass es biographisch ist, da manche Ereignisse und Umstände einfach so unreal klangen, dass ich mir immer wieder bewusst machen musste, dass das damals teilweise einfach die Lebensrealität war. Auf jeden Fall super spannend wenn einen die Hintergründe der Autorinnen interessieren und die Parallelen zwischen den Leben der beiden Frauen haben mich auch am meisten gefesselt.

    • Ja, oder? In einem Film oder Roman würde man bei so einigen Dingen die Augen verdrehen, aber das reale Leben ist teilweise echt unglaublich… allein schon, dass Shelley so begeistert von Booten war, aber nie schwimmen gelernt hat und ihm das zum Verhängnis geworden ist, und da gibt es noch so viel mehr! Ich hatte es danach noch mit einer anderen Biografie zu einer Zeitgenossen von Mary Shelley probiert, die im Vergleich leider recht dröge und zu akademisch war.. ich würde gerne noch mehr in der Richtung von Romantic Outlaws lesen. Bist du noch über vergleichbares gestolpert?

      • Genau, diesen Tod hätte ich in einem Roman wirklich unglaubwürdig gefunden :D
        Nein, bisher habe ich noch nichts anderes in der Richtung gelesen. Ich halte mal die Augen offen, kann mir aber auch vorstellen, dass „ältere“ Biografien oft eher trocken erzählt werden und das wäre für mich dann auch nichts.

  3. Das klingt wirklich nach einem interessanten Buch. Danke für die Vorstellung.
    Ich hatte vor einer Weile mal Mary Wollstonecrafts „A Vindication for the Rights of Women“ gelesen und fand das wirklich lehrreich. „Frankenstein“ liegt noch auf meinem SuB und ich fände es wichtig mehr über die beiden Frauen zu erfahren. „Romantic Outlwas“ ist mal direkt auf meine Wunschliste gewandert.

    LG
    Elisa

    • Ich muss ja gestehen, dass ich ‚Frankenstein‘ zum Lesen nicht besonders mochte, die Theateradaption allerdings großartig fand. Irgendwie werde ich mit Shelleys Schreibstil einfach nicht warm, aber ich drücke dir die Daumen, das es dir da anders ergeht. Dank ‚Romantic Outlaws‘ steht ‚A Vindication for the Rights of Women‘ auf meiner Merkliste, wobei man es der Biografie wirklich Lust auf gefühlt alle Werke der beiden Frauen bekommt.

  4. Hallöchen,

    das Buch klingt wirklich interessant. Ich habe über beide in einer Vorlesung im Bachelor etwas gelernt, aber das war eine Vorlesung mit vielen weiteren Inhalten zur englischen Geschichte, die zumal auch noch auf ein statt zwei Semester gekürzt werden musste, da die Professorenstelle nicht mehr nachbesetzt wurde. Ich setze mir das Buch definitiv mal auf die Merkliste.

    Liebe Grüße
    Sarah von Books on Fire

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