Gelesen | Kryonium von Matthias A. K. Zimmermann

Rezensionsexemplar | Unser Ich wird stark durch unsere Erinnerungen und Erfahrungen geprägt, und kaum eine Vorstellung ist so beängstigend wie die, genau diese zu verlieren. Was macht das mit einem, wie soll man damit umgehen? Dem Erzähler widerfährt genau das in Kryonium. Die Experimente der Erinnerung von Matthias A. K. Zimmermann und nicht nur das: Gefangen in einem Schloss an einem unbekannten Ort, ohne Namen und Geschlecht,  scheint nur die Flucht logisch. Über drei Abschnitte führt dieser Fluchtversuch nicht nur den Erzähler, sondern auch den Leser dabei immer tiefer und tiefer hinein in ein technoides Märchen, welches teils einem Labyrinth gleicht.

Matthias A. K. Zimmermann: Kryonium

Klappentext

Gefangen an einem unbekannten Ort, schmiedet der Erzähler heimlich Fluchtpläne. Die Tatsache, ohne Erinnerungen zu sein, erschwert das Vorhaben. Doch der Drang, endlich auszubrechen aus diesem furchteinflößenden, schneeverwobenen Schloss, lässt ihn jedes Risiko eingehen. Und so gerät der Erzähler immer tiefer hinein in einen wirren Strudel aus rätselhaften Begegnungen und magischer Paranoia, die er spielerisch zu entschlüsseln hofft, was ihn letztlich zum Ursprung seiner Erinnerungen führt. Der All-Age-Roman ist ein technoides Märchen, das sich mit Virtualität auseinandersetzt und die Frage aufwirft, was Erinnerungen sind und was sie bedeuten. Nichts ist so, wie es scheint in der Geschichte und die Frage, was Realität ist, muss immer wieder neu überdacht werden. Mit einem Nachwort von Stephan Günzel.

Das war gut

Ich mochte an Kryonium vor allen Dingen, wie herrlich dieser Roman Erwartungen auf den Kopf stellt. Je mehr enthüllt wird, desto verwirrt ist man vorerst, und immer wieder kommt es zu Überraschungen. Beispielsweise habe ich den Erzähler über weite Strecken ganz anders visualisiert als die Auflösung schließlich verrät, und einige dröge Szenen im ersten Abschnitt machen mit dem zweiten plötzlich Sinn. Zimmermann beschreibt die Umwelt seines Erzählers und dessen Gefühlswelt sehr anschaulich, und der Roman hat etwas märchenhaftes, fast zeitloses an sich. Man wird immer wieder zum Reflektieren und Nachdenken über das Gelesene angehalten, auch noch weit über das Beenden des Buches hinaus. Die Covergestaltung greift zudem wichtige Komponenten der Geschichte auf, was ich sehr schätze, und in den Aspekt der Visualisierung mit hinein spielt.

Das war weniger gut

Der erste Abschnitt von Kryonium war eine kleine Qual: Mir kam er viel zu lang und simpel beim Lesen vor. Ich hatte nach wenigen Seiten schon erahnt, was hier vor sich geht, und auch wenn ich die Referenzen und Spiegelungen im zweiten Abschnitt dann mochte, tröstet das erst im Nachhinein. Und so langsam der erste Abschnitt war, so holter die Polter ging es dann durch den dritten Abschnitt. Die Idee, die Zimmermann hier mit den Schneekugeln hat, fand ich großartig, aber ich konnte die Ereignisse nur schlecht visualisieren und hätte gerne viel mehr Zeit hier mit dem Erzähler verbracht. Vor allem an den Punkten, wo Mathematik und Computersprache auf einmal auftauchten, war ich etwas verloren. Da Visualisierung generell eine große Rolle in Kryonium spielt und Zimmermann unter anderem Maler und Medienkünstler ist, finde ich es dazu irgendwie schade, dass sich im Inneren keine Illustrationen oder Bilder verbergen.

Fazit

Wer auf der Suche nach einem modernen Märchen der anderen Art ist und Experimente nicht scheut, wird mit Matthias A. K. Zimmermanns Kryonium. Die Experimente der Erinnerung definitiv fündig. Man sollte allerdings eine gemächliche und detailreiche Erzählweise mögen und aufmerksam beim Lesen bleiben, da viel mit Anspielungen und Paralellen zwischen den Abschnitten gearbeitet wird. Als Belohnung gibt’s dafür aber auch ein absolut grandioses Blade Runner Easter Egg, verprochen!

„Lassen Sie es ruhig angehen. Sie brauchen Zeit, viel Zeit, um Ihren Weg wiederzufinden. Vor allem aber müssen Sie erst einmal zu sich selbst finden.“ | Seite 97


Weitere Eindrücke zum Buch findet Ihr bei Koreander, Buchfee, Tintenwelten und Hannah Kuban.


BUCHDETAILS | ANZEIGE

GEBUNDENE AUSGABE: 324 SEITEN | VERLAG: KADMOS (28.10.2019) | ISBN:  978-3865994448 | KADMOS HAT MIR FREUNDLICHERWEISE EIN REZENSIONSEXEMPLAR ZUR VERFÜGUNG GESTELLT, WAS MEINE MEINUNG ALLERDINGS NICHT BEEINFLUSST. | MEINE BEWERTUNG: 2.5/5

2 Gedanken zu “Gelesen | Kryonium von Matthias A. K. Zimmermann

  1. Hi
    Ich habe mich auch ziemlich lange durch dieses Buch bewegt. Mir ging es genau wie dir, die anfängliche sehr einfache Erzählweise machte mir den Einstieg schwer. Zwischenzeitlich war es interessant, dann aber doch alles zu durchsichtig und mir fehlte auch eine grundlegende emotionale Beziehung zur Geschichte. Ich habe nichts gefühlt, das ist schade. Meine Besprechung werde ich noch schreiben und weiß schon, dass es nicht so leicht werden wird.
    Danke für deine Meinung zum Buch, die meiner doch sehr ähnlich kommt :-)

    Liebe Grüße
    Sandra

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