Retellings sind im englischsprachigen Raum ein ganz großes Thema. Dabei gibt es Geschichten, die sehr gerne und häufig umgesetzt werden, und welche, nach denen man sehr lange sucht… so ein Fall war für mich Doreen von Ilana Manaster. Mit diesem Buch versucht sich die Autorin an einem Retelling zu Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde, welches nicht nur in die Gegenwart verfrachtet wird, nein, alle Hauptcharaktere wechseln zusätzlich die Geschlechter. Ob das gut gehen kann?
Schlagwort: Oscar Wilde
Faszination Geschlechtertausch und ein Abend im Theater
Habt Ihr Euch schon mal so sehr in eine Geschichte verliebt, dass Ihr sie gar nicht gehen lassen wolltet? Sei es der Film oder die Serie, die zu ende gesehen, oder Bücher, die ausgelesen sind – manchmal will man mehr oder einfach andere Szenarien für die Charaktere. Eine Möglichkeit dafür sind Fanfiction, die es gefühlt für und über alles gibt. Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich sehr intensiv Fanfiction lese und ich glaube ein Großteil meiner Faszination mit Archetypen bzw. Tropen rührt daher. Es gibt so einige Schlagwörter, über die man in diesem Bereich immer fällt -OTP oder AU beispielsweise- und eines davon ist genderswap oder auch genderswapping. Damit gemeint ist das Auswechseln des Geschlechts eines Charakters im Vergleich zum Kanon, also ein Geschlechtertausch. Der Geschlechtertausch kann einen Charakter auf neue Art und Weise beleuchten oder die Stereotypen und Regeln, die die Gesellschaft in Bezug aufs Geschlecht entwickelt hat, hinterfragen (oder zumindest den Spiegel vorhalten). Samantha Field hat mit the awesome power of the gender swap einen tollen kleinen Artikel dazu geschrieben, welcher sich unter anderem auf Fanfiction bezieht, aber auch in Filmen wird dieses Stilmittel genutzt, siehe das Ghostbusters Remake oder Ocean’s 8. Warum nicht ebenfalls im Theater?
Trailer der bremer shakespeare company, Quelle: https://www.shakespeare-company.com/repertoire/dorian-gray
Die bremer shakespeare company hat aktuell wieder Das Bildnis des Dorian Gray im Programm, welches Thematiken wie Beeinflussung, Jugendwahn, Schönheit und Moralvorstellungen aufgreift. Wilde’s einziger Roman ist mein liebster Klassiker, und allein das hätte schon ausgereicht, um mich zum Besuch einer Aufführung zu bewegen – der Clou bei dieser Inszenierung ist allerdings, dass ein Geschlechtertausch vollführt wird. Statt Lord Henry Wotton ist es Lady Henry Wotton, auf welche Dorian in Basil Hallwards Atelier trifft.
Verführerische Schlange
In der Pause habe ich mir bereits einiges an Notizen gemacht, denn die Inszenierung hat gerade durch den Geschlechtertauschs einiges an neuen Aspekten für mich aufgeworfen. Da ist einmal das Offensichtlichste: Frauen spricht man eher die Rolle der Verführerin zu, und Lord Henry ist definitiv das: Ein Verführer. Basil und er, das hat immer etwas von Engelchen und Teufelchen auf Dorians Schulter. Im Stück wurde das ganze noch mehr unterstrichen durch die Kleidung der Darstellerin der Lady Henry -enge Handschuhe, die sie ständig an- und auszieht wie eine Schlange, die sich häutet; Lederartige Hosen, die etwas von Schuppenoptik haben; glatt zurückgegelte Haare-, die mich immer wieder an die Schlange im Garten Eden erinnert hat -was umso passender ist, wo die Szene im Atelier selbst ganz klar an diesen anspielt- bzw. an die Figur des Mephisto. Henry hat generell eine eigene Art der Körpersprache gehabt, welche später sogar von Dorian gegenüber Basil imitiert wird und nur noch mehr ihre Rolle als Mentorin unterstreicht.
Der Geschlechtertausch kommt neben dem großen, nicht-kanonischen Tausch aber bedingt durch die Besetzung noch weitere Male vor: Die Schauspielerin der Sybil Vane spielt auch deren Bruder, der Schauspieler des Basil ist gleichzeitig der Ehemann der Lady Henry. Diese Entscheidung fand ich generell interessant, weil es in die Affäre, die zum großen Teil zur Scheidung führt, eine neue Note bringt und es natürlich noch andere Auswirkungen hätte, wenn Lady Henry auch mit einer Lady verheiratet gewesen wäre… wobei dafür vermutlich die Besetzung nicht optimal war mit zwei Männern und zwei Frauen.
In Szene gesetzt
Das Bühnenbild ist recht karg und wird durch das Spiel mit Licht und Schatten durch bespannte Elemente erst lebendig. Allein das Malen des Gemäldes oder der erste Auftritt Sybils, deren Schattentanz an Louis Fuller erinnert, waren großartig, aber auch Dorians Alptraum zu Beginn des zweiten Akts wirkt sehr intensiv und war mit den beweglichen Elementen super choreographiert: Die Charaktere sprechen durch das Bild zu Dorian, verhöhnen und jagen ihn, Sybil und Henry tanzen einen Totentanz und immer wieder schallt Märchenprinz durch den Raum und verfolgt jenen. Wo der erste Akt jedoch noch leicht nachvollziehbar ist, gibt es im zweiten zu viele Szenenwechsel und vergangene Zeit, was es für Nicht-Kenner des Buches etwas schwieriger macht dem ganzen zu folgen. Allgemein fand ich die zweite Hälfte etwas schwächer, wobei mir einfach der Handlungsstrang um Sybil mit am meisten gefällt und dieser halt zu dem Zeitpunkt durch ist.
Ähnlich wie in der Inszenierung des English Theatre Frankfurt in 2016 sehen wir das Gemälde im Theaterstück nicht, sondern nur einen leeren Rahmen. Ich mag diese Entscheidung und fand die Zwiegespräche und das Finale herrlich gut gespielt. Die Schauspielerin von Sybil Vane bekommt hier eine dritte Rolle, wenn sie Dorian mehr oder weniger in den Tod bettet und als Erzähler sein Auffinden beschreibt – poetisch, oder?
Diese Inszenierung war nicht ganz so modern wie die in Frankfurt, wo ja doch stark der Narzismus der Generation Selfie aufgegriffen wurde und der Dorian auch nackt wie eine griechische Statur für sein Bildnis posierte. Durch den Geschlechtertausch ergab sich aber ein tolles Wechselspiel in der Chemie der Charaktere und den Werkzitaten. Egal, wie frei man sich versucht von Vorurteilen und Klischees zu machen, eine gewisse geschlechterspezifische Prägung hat man dann doch und Das Bildnis des Dorian Gray eignet sich famos dafür dies zu untersuchen. Mir hat diese Inszenierung dazu direkt Lust auf eine gemacht, wo Dorian selbst einmal weiblich ist – ich könnte mir gut vorstellen, dass dadurch noch mehr Doppeldeutigkeiten und Nuancen aufkommen könnten.
Empfindet Ihr den Geschlechtertausch ebenfalls als spannendes Stilmittel oder absolut unnötig?
Bücher, Bücher! Neuzugänge im Dezember 2017
Wenn man schon kaum zum Lesen kommt, kann man zumindest Bücher kaufen wie verrückt, richtig? So oder so ähnlich ist das jedenfalls hier im Dezember gelaufen. Es gab noch eine Nachlieferung vom schwarzen Freitag, einige Vorbestellungen, Geschenke, Spontan- und Frustkäufe… und damit ist wieder ordentlich was zusammengekommen. Wie ich in 2018 quasi diese Menge im gesamten Jahr nur kaufen mag? Ich habe nicht den geringsten Plan, aber irgendwie wird das schon. Muss es generell, denn allzu viel Regalplatz ist gar nicht mehr vorhanden und es gilt noch so viele spannende ungelesene Bücher, die ich bereits da habe, zu entdecken!
Mir ist dieses mal nach etwas Statistik zu diesem Haufen -falls Ihr mehr zu dem warum, wieso, weshalb diese Titel hören wollt, das findet Ihr im Video unten-, also gibt es diese in aller Kürze:
- Von den 31 Neuzugängen habe ich 5 Titel (entspricht 16 Prozent) bereits gelesen.
- 25 Prozent der neuen Bücher sind Klassiker.
- 50 Prozent der Neuzugänge sind gebrauchte Bücher.
- In 2 Buchboxen gab es 3 Bücher für mich, und alles Titel, die ich eh haben wollte.
- 25 Prozent meiner Neuzugänge habe ich geschenkt bekommen.
- An Vorbestellungen sind 4 Bücher im Dezember angekommen, genauso viele neue Bücher habe ich mir auch gekauft.
- Mein SuB ist insgesamt um 57 Prozent in einem Jahr gewachsen. Ups.

Ivan Turgenev: Kasyan from the Beautiful Lands / Elena Ferrante: Those Who Leave and Those Who Stay / Thomas Pynchon: Gravity’s Rainbow / Jennifer Donnelly: Revolution / Alwyn Hamilton: Rebellin des Sandes / Alwyn Hamilton: Verräterin des Throns / Agatha Christie: Der Tod auf dem Nil / Brom: Krampus / Audrey Niffenegger: Die Frau des Zeitreisenden / Alexa Hennig von Lange: Die Welt ist kein Ozean / Gabrielle Prendergast: Zero Repeat Forever / Anna Carey: Blackbird / William Sutcliffe: Auf der richtigen Seite / Pasi Ilmari Jääskeläinen: Secret Passages in a Hillside Town / Patrick Süskind: Perfume: The Story of a Murderer / Rhoda Belleza: Herrscherin der tausend Sonnen / S.A. Chakraborty: The City of Brass / Robert Louis Stevenson: Dr. Jekyll und Mr. Hyde / Renée Knight: Disclaimer / Andy Weir: Artemis / Teri Wilson: Unleashing Mr. Darcy / Oscar Wilde: Only Dull People Are Brilliant at Breakfast / Leigh Bardugo: Shadow and Bone / Leigh Bardugo: Siege and Storm / Leigh Bardugo: Ruin and Rising / Terry Pratchett: Night Watch / Claudia Gray: Constellation – Gegen alle Sterne / Olga Nather: Russisches Alphabet in 33 Zügen / Seanan McGuirre: Every Heart a Doorway / Tom Fletcher: The Christmasaurus – The Musical Editon / Truman Capote: In Cold Blood / Ivan Turgenev: First Love

