[Gelesen] Lily und der Oktopus

Rezensionsexemplar | Eine traurige Gewissheit, die man fast bei einem Haustier hat: Irgendwann wird man es auf seinem letzten großen Abenteuer begleiten müssen, denn die meisten Haustiere werden von Herrchen und Frauchen überlebt.  Dieser Gewissheit muss sich auch Ted nach zwölf gemeinsamen Jahren mit seiner geliebten Dackeldame stellen, als er eines Tages einen Oktopus auf ihrem Kopf entdeckt. Keine leichte Lektüre vom Thema her, aber Steven Rowley gelingt es in Lily und der Oktopus hierfür genau die richtigen traurig-schönen Worte zu finden!

lilyundderoktopus
„So viele Abenteuer haben wir zusammen erlebt. Und ich fand jedes einzelne großartig.“ – S. 303
Lily, Ted und der Andere

Seit zwölf Jahren gibt es eine Konstante im Leben von Ted: Die Dackeldame Lily. Mit ihr zusammen hat er so manche Höhen und Tiefen gemeistert und die beiden haben ihre ganz eigenen Rituale. Donnerstags wird zum Beispiel über Männer geredet, wodurch sich Ted auch so genau an den Wochentag erinnert, an dem er eine unschöne Entdeckung macht – auf Lilys Kopf sitzt ein Oktopus! Dieser Eindringling gehört dort nicht hin und so fängt zuerst die lange Wartezeit bis zum Montag mit dem nächstmöglichen Termin beim Tierarzt an. Denn das der Oktopus weg muss, ist für Ted sonnenklar.

Von einem der auszog, einen Oktopus zu erlegen

Der Oktopus ist etwas, dass einem vielleicht im Klappentext und auf den ersten paar Seiten irritiert. Diese leicht fantastische Note muss man im ersten Moment einfach so hinnehmen, da dies für Ted die beste Möglichkeit ist mit der Situation umzugehen. Für den Leser und ihn ist von Anfang an klar, dass es sich hier um keinen echten Oktopus, sondern einen Krebstumor handelt. Durch den fast unweigerlich unheilvollen Unterton dabei finde ich es rückblickend aber umso schöner, dass Ted dem Eindringling eine andere Rolle zuweist. Denn ein Oktopus scheint doch gleich viel eher besiegbar als das Untier Krebs, oder? Und kampflos will Ted seine Lily auf keinem Fall hergeben.

Der rote Ball

Die Geschichte von Ted und Lily setzt zwar an dem Abend ein, an dem der Oktopus das erste Mal bemerkt wird, aber zwischendurch erfahren wir in Rückblenden von dem gemeinsamen Leben der Beiden, z. B. ihre erste Begegnung. Man merkt an diesen Stellen, aber auch zum Ende hin, sehr deutlich, dass Steven Rowley hier nichts ihm unbekanntes schreibt: In Lily verbirgt sich auch viel von Rowleys gleichnamiger Dackeldame, deren Tod die Inspiration für diese Geschichte lieferte.

Es gibt immer wieder etwas fantastische Szenen und Unterhaltungen zwischen Ted-Lily-Oktopus, welche die Geschichte einerseits auflockern und andererseits sehr gut den langen Weg zur Einsicht bei Ted dokumentieren. Dabei gibt es einige Symbole, über die man im Verlauf immer wieder stolpert – der rote Ball, das Lieblingsspielzeug von Lily, ist eines davon, und ersetzt im Verlauf gekonnt den sonst typischen roten Faden der Geschichte.

„Der Tod. Der Tod ist das ganz große Abenteuer. Aber jetzt nicht. Das größte Abenteuer, unser größtes Abenteuer, ist der Kampf ums Überleben.“ – S. 222

Es war schön, einmal einen Roman über das innige Verhältnis von Mensch und Haustier zu lesen, und das es dann auch noch über einen Hund, mehr noch einen Dackel geht… das war gleichzeitig toll und schrecklich. Rowley trifft die Charakterisierung dieser Hundeart einfach perfekt. Einige Szenen haben mich sehr an unseren letzten Hund erinnert, sodass ich das Buch immer wieder zur Seite legen musste. Der (Galgen-)Humor und Kampfwille von Ted, die Akzeptanz seiner Gefühle durch seine Umwelt und die trotz allem positive Note am Ende machen aus diesem eigentlich tieftraurigem Buch ein traurig-schönes Fest dieser besonderen Freundschaft. Nicht nur für Dackelliebhaber ein wahres Kleinod und eine große Empfehlung!

Vielen Dank an Goldmann für das Rezensionsexemplar

Weitere Eindrücke zu Lily und der Oktopus findet ihr unter anderem bei
fruehlingsmaerchen | Papier und Tintenwelten | paper poetry blog | Miss Bookiverse


BUCHDETAILS | ANZEIGE

Verlag: Goldmann
Übersetzerin: Sibylle Schmidt
ISBN:  9783442314331
Erscheinungsdatum: 17.04.2017
Bewertung: 5/5

[Leseplan] August 2017

Und wieder ein Monat geschafft! Geschafft ist auch das richtige Stichwort, denn nach zwei Wochen Urlaubsvertretung bin ich das. Wenn nichts dazwischenkommt, habe ich aber Mitte August eine Woche Urlaub, kann ein bisschen die Seele baumeln lassen und jede Menge lesen. Normalerweise suche ich etwas gemischter die Bücher für meinen Leseplan aus den Regalen aus – nur sind die letzten Wochen überraschend sehr viele Rezensionsexemplare eingetrudelt und bevor mir das komplett über den Kopf wächst, werden diese erstmal gelesen.

leseplan-aug17
Lesepensum:  2.048 Seiten | ca. 66 pro Tag
  •  Jessica Khoury: Ein Kuss aus Sternenstaub
    Eine Neuinterpretation der Geschichte von Aladdin mit einem weiblichen Dschinny und einer in sich abgeschlossenen Geschichte. Die Beschreibung des Buches klingt schon sehr witzig und ich freue mich auf dieses Gespann wider Willen!
  • Ann A. McDonald: Die Schule der Nacht
    Eine Geschichte, die mal wieder etwas aus dem Beuteschema fällt, dadurch aber nur umso mehr reizt. Eine geheime Gesellschaft, Mysterien und dann die Einordnung unter Thriller/Gothic/Mystery machen sehr neugierig auf die Geschichte von Cassandra.
  • Steven Rowley: Lily und der Oktopus
    Dieser Buch wartet schon wieder viel zu lange aufs gelesen werden, zum Teil auch, weil die Geschichte verspricht traurig zu werden – und ich das in den letzten paar Wochen nicht wirklich wollte. Im August nehme ich mir hierfür aber extra ein Wochenende für.
  • Hans Christian Andersen: Die Schönsten Märchen
    Von einigen seiner Märchen kenne ich Interpretationen, aber wirklich ein Werk von Andersen gelesen habe ich noch nicht. Diese neue Ausgabe von Penguin ist da eine gute Gelegenheit das zu ändern.
  • Rebecca Hunt: Everland
    Zwei Antarktisexpeditionen, eine 1913 und 2013, zur Insel Everland. Jeweils drei Männer werden auf diese Expeditionen geschickt und von der ersten kehren nicht alle Männer zurück. Ich bin gespannt darauf, wie Hunt diese Geschichte erzählt und inwiefern es Parallelen zwischen den Expeditionen geben wird.

    “You’re evil, you know that?” I said. She grinned and shook her head. “Chaotic Neutral, sugar.”
    Ernest Cline: Ready Player One

Bücher, Bücher! Neuzugänge im April

Wäre ich ein Niffler, wären Bücher meine Goldmünzen. Oder so ähnlich. Ich verräume Neuzugänge aber auch immer gleich in die Regale und merke eigentlich erst, wie viele es tatsächlich über den Monat geworden sind, wenn ich sie für diesen Beitrag wieder heraussuche. Neuer Plan deshalb: Neue Bücher erstmal auf einem Tischen stapeln und am Ende des Monats einräumen. Vielleicht hilft es ja, damit es nicht wieder so aus dem Ruder läuft?

Zu den Gründen, warum genau jedes einzelne der Bücher im April einziehen durften, spreche ich h i e r eine gute halbe Stunde.

haul-apr17Sarah Ahiers: Assassin’s Heart / Chantal Thomas: Leb wohl, Königin! /  Rodger Watson; Helen Rappaport: Capturing the Light: The Birth of Photography, a True Story of Genius and Rivalry / S.E. Hinton: The Outsiders Peter Clines: Der Raum JP Delaney: The Girl Before / T.R. Richmond: Wer war Alice / Cherie Priest: Ich bin Princess X / Rainbow Rowell: Carry On / Charlie Human: Apocalypse Now Now. Schatten über Cape Town / Mira Grant: Parasite / Philip K. Dick: The Man in the High Castle / Steven Rowley: Lily und der Oktopus / Brian K. Vaughan; Fiona Staples: Saga, Vol. 7 / Elena Favilli; Francesca Cavallo: Good Night Stories for Rebel Girls / Charlie Jane Anders: Alle Vögel unter dem Himmel / Hilary Mantel: A Place of Greater Safety / Sarah Porter: Vassa in the Night / Sylvain Neuvel: Waking Gods / Laini Taylor: Strange the Dreamer / Julie Murphy: Dumplin‘ / Nina LaCour: We Are Okay / Mackenzi Lee: Cavaliersreise / William Golding: Herr der Fliegen

“What kind of life can you have in a house without books?”
Sherman AlexieFlight