Einer meiner liebsten Orte ist Versailles, und ich hoffe sehr, dass ich nächstes Jahr wieder dorthin reisen kann. Bis dahin muss das Fernweh anderweitig in Schach gehalten werden, und was bietet sich da neben Filmen, Serien oder Dokumentation besser an als Bücher? Gleich zweimal ging es die vergangenen Wochen auf literarischen Ausflug nach Versailles, was einmal mehr, einmal weniger gut gelaufen ist.
Intrigen, Zukunftsmusik und Drogengeschäfte
In der nahen Zukunft von Aprilynne Pikes Glitter hat ein Konzern Versailles dem französischen Staat abgeluchst, und daraus seinen Firmenhauptsitz gemacht: Der CEO wird dabei kurzerhand zum „König“, während seine Mitarbeiter im Schloss sich kleiden und benehmen müssen wie im 18. Jahrhundert. Danica ist in dieser verkehrten Welt groß geworden, und zählt eigentlich nur noch die Tage bis zu ihrer Volljährigkeit, um Versailles endlich hinter sich lassen zu können. Dank unglücklicher Fügungen und einer ambitionierten Mutter findet sie sich aber plötzlich als Verlobte des Königs wieder. Ihr Ausweg? Möglichst schnell möglichst viel Geld zusammenbekommen, und sich den Weg in die Freiheit kaufen. Und was könnte da wohl weniger schief gehen als das Aufziehen eines Drogengeschäfts mit Make Up als Front?!
„You don’t know the meaning of no choice, Dani. You had your choice. And you made it. Now you have to live with it. And so does everyone else.“ | Seite 290
Glitter ist allein schon von seiner Ausgangssituation her arg abgedreht, und lädt immer wieder zwischendurch zum Kopfschütteln ein. Aber so abstrus sich das Buch teilweise auch liest, Pike nimmt ihr Konzept sowie den Leser perfekt an die Hand und entführt in die schillernde Welt von Versailles. Zwar kann man die Geschichte teilweise nicht zu Ernst nehmen, aber dafür unterhält sie köstlich! Wirklich gestört hat mich nur etwas die Liebesgeschichte, da diese zu sehr in Jugendbuchklischees abdriftet, und an ein paar Stellen Danis Naivität in Bezug auf ihr Geschäft. Drogen sind einfach keine harmlosen Dinge wie Kekse oder normale Schminke, da sollte klar sein, dass gewisse Konsequenzen vorprogrammiert sind.
Der erste Band endet an einer recht fiesen Stelle, sodass ich froh war, direkt in Shatter weiterlesen zu können. Bis auf den Epilog fügt sich darin alles ganz wunderbar zusammen und ich würde Euch die Dilogie definitiv ans Herz legen, wenn Ihr solche etwas abgedrehten Geschichten mögt. Der Pitch von „Breaking Bad meets Marie Antoinette in a near-future world“ trifft den Nagel nämlich hundertprozentig auf den Kopf!
Drei Tage im Juli
Historische Romane und ich, wir werden irgendwie nicht so recht warm miteinander, obwohl ich historische Filme und Serien super gerne schaue. Letzteres hat mich erst zu Leb Wohl, Königin! von Chantal Thomas gebracht: Die Verfilmung hat mich neugierig auf die Vorlage gemacht, in der wir die Geschehnisse in Versailles vom 14. bis 16. Juli 1789 aus der Sicht der Dienerschaft erleben. Die Geschehnisse folgen der zweiten (fiktiven) Vorleserin der Königin, Sidonie Laborde, welche sich gut zwanzig Jahre danach zurückerinnert. Halbwissen und Gerüchte schwirren durch die Gänge von Versailles, aber noch sind Revolution und die Geschehnisse in Paris weit weg.
In Versailles folgte ein Tag auf den anderen, und alle ähnelten einander. Das war die Regel, und daran glaubte ich. | Seite 17
Wo die Verfilmung aber viel durch Bilder und den kargen Dialog an Stimmung transportieren kann, da reitet das Buch vor allem auf der Hygiene herum – oder besser dem Mangel dieser und den damit einhergehenden Gerüchen. Das mag ja vielleicht realistisch sein, aber ich möchte mich nicht ekeln beim Lesen oder diesen Umstand so sehr im Fokus haben, das für anderes keine Zeit mehr bleibt. Sidonie wird nie zu einem wirklichen Charakter, sondern ist einfach nur da, um verschiedenen wichtigen Personen in den Gängen und Gemächern zu begegnen. Da sie rückblickend von diesen Tagen berichtet, weiß man zudem, dass sie die Revolution überlebt, was auch den letzten Funken von Spannung nimmt. Da schaue ich mir dann doch lieber die Verfilmung ein weiteres Mal an, und sortier diesen Roman lieber wieder aus.
Weitere Eindrücke zu Glitter findet Ihr bei Carina’s Books, Under the Book Cover und It Starts at Midnight. Zu Leb wohl, Königin! gibt es dagegen bei RP Online und der FAZ kurze Eindrücke. Hier auf dem Blog gibt es noch folgende Beiträge rund um Versailles:
• Geknipst | Paris – Part II: Versailles
• Gesehen | Filme/Serien zu Versailles
BUCHDETAILS | ANZEIGE
* GLITTER | GEBUNDENES BUCH: 384 SEITEN | BAND 1 DER GLITTER DILOGIE | VERLAG: RANDOM HOUSE BOOKS FOR YOUNG READERS (25.10.2016) | ISBN: 9781101933701 | MEINE BEWERTUNG: 4/5
* LEB WOHL, KÖNIGIN! | GEBUNDENES BUCH: 292 SEITEN | ORIGINALTITEL: LES ADIEUX À LA REINE | AUS DEM FRANZÖSISCHEN ÜBERSETZT VON CARINA VON ENZENBERG | VERLAG: KLETT-COTTA (01.02.2006) | ISBN: 978-3608935950 | MEINE BEWERTUNG: 1/5

