[Gelesen] Everland

Rezensionsexemplar | Bei einer Insel habe ich fast automatisch zuerst Wärme, Sonne und Palmen vor Augen – genau diese Dinge wird man allerdings auf der Insel Everland in Rebecca Hunts gleichnamigen Roman vergeblich suchen. Everland liegt nämlich mitten in der Antarktis und verlangt mit seinem rauen Klima den Charakteren einiges ab.

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„Everland war still, leblos und auf brutale Weise unspektakulär. Mehr als trostlos, es war hässlich.“ – Seite 34
1913 vs 2013

Die Geschehnisse in Everland und die Insel selbst sind fiktiv, es gibt aber Anklänge zu wirklichen Expeditionen ins Eis wie die Shackleton-Mission oder den Wettlauf zum Südpol von Robert Falcon Scott und Roald Amundsen. In ihrem Roman schickt Hunt gleich zwei Expeditionen mit jeweils drei Personen auf die unscheinbare Insel im ewigen Eis: Zum einen ist da das Gespann aus Napps, Millet-Bass und Dinners, welche als erste Menschen im Jahr 1913 die Insel betreten. In ihrer Geschichte springt die Autorin, als Leser erfährt man sowohl gleich zu Beginn das Ende der Expedition als auch den Weg dorthin. Zum Jubiläum folgen hundert Jahre später Decker, Jess und Brix dem Gespann der drei Männer, wohlwissend um den Werdegang ihrer Vorgänger.

Trio wider Willen

Neben der Personenanzahl wird im Verlauf der Seiten immer klarer, wie sehr sich die beiden Zeitebenen ähneln beziehungsweise wie nah sie sich doch sind. Denn trotz modernerer Technik ist die Antarktis auch 2013 noch eine lebensfeindliche Umgebung für den Menschen und die Isolation wirkt auf die Gruppen ähnlich verheerend. Das wird vor allem dadurch bestärkt, dass sich weder die Gruppe um Napps noch die um Decker ihr Los ganz freiwillig in der jeweiligen Form ausgesucht hat. Diese Spannungen in den Gruppen und ihr Zusammenspiel liest sich unglaublich faszinierend. Wie wird in den einzelnen Situationen reagiert? Arbeit man zusammen oder gegeneinander? Hunt betrachtet jeden ihrer sechs Hauptcharaktere sehr aufmerksam und lässt den Leser die Ereignisse aus den verschiedenen Blickwinkeln erleben. Und in so mancher Szene scheint es, als würde nur der gemeinsame Wille, Everland wieder zu verlassen, die Gruppen zusammenhalten…

Der Preis des Überlebens

Was ist man bereit zu tun, um nach Hause zurückzukehren? Und wie viel von der eigenen Menschlichkeit und Moral büßt man hierfür ein? Die Männer im Jahr 1913 wissen nicht, ob und wann sie die Insel verlassen werden, während für die Gruppe hundert Jahre später die Zeit auf der Insel von vornherein fest begrenzt ist. Trotzdem wirkt sich die Natur und (mangelnde) Interaktion auf jeden einzelnen Charakter aus, führt zu zweifelhaften oder kompletten Fehlentscheidungen. Da der Leser aber einmal durch die Augen jedes Charakters blickt, zeigt sich schnell, dass diese Entscheidungen für diesen eben doch gerechtfertigt sind. Dieses Zusammenspiel des äußeren Kampfes gegen die Natur gepaart mit dem inneren Kampf gestaltet Hunt unendlich spannend.

Everland ist vielleicht weniger der Abenteuerroman, den ich im Vorfeld erwartet hatte, aber die gelungene Mischung unterschiedlicher Handlungselemente hat mir unglaublich gut gefallen. Es war nicht nur spannend, die Entwicklungen der sechs Charaktere und ihrer Beziehungen zu beobachten, sondern auch wie sich meine eigene Meinung zu ihnen im Verlauf des Aufenthalts auf der Insel änderte. Immer wieder glaubte ich, dass Netz, welches Hunt spinnt, zu durchblicken, nur um auf den nächsten Seiten wieder komplett von den Entwicklungen überrascht zu werden. Immer wieder ruft Hunt gelungen mit ihren Beschreibungen beim Lesen das Gefühl von Kälte, peitschendem Wind und der Willkür, der sich die Charaktere ausgeliefert sehen, hervor und ich bin mir sicher, viele Anspielungen oder Hinweise erst beim zweiten Lesen zu entdecken. Wer seine Freude an ruhigeren, sehr auf das Innenleben seiner Charaktere bezogenen Geschichten hat, wird mit Everland sicher auch seine Freude haben – und ich hoffe sehr, dass dieses Kleinod seine Leser findet.

Vielen Dank an den Luchterhand Literaturverlag für das Rezensionsexemplar!

Andere Eindrücke zu Everland lest ihr bei
Bücherkaffee | Buchperlenblog | Seehases Lesewelt | Happy Booktime | Renie’s Lesetagebuch


BUCHDETAILS | ANZEIGE

Verlag: Luchterhand Literaturverlag
Übersetzerin: pociao
ISBN:  9783630874630
Erscheinungsdatum: 13.06.2017
Bewertung: 5/5

Bücher, Bücher! Neuzugänge im Juli 2017

Im Juli gab es wieder einige tolle Bücher, die neu zu mir gekommen sind – da ärgere ich mich fast noch mehr, dass in dieser Woche irgendwie der Wurm drin ist und ich kaum zum Lesen komme. Immer wieder eine gute Sache, dass Papier geduldig ist und Bücher nicht schlecht werden können! Tatsächlich habe ich mir von diesem ganzen Haufen auch nur drei Bücher selber gekauft… aber nun ja, Lesestoff wird mir definitiv nicht allzu schnell ausgehen.

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Rebecca Hunt: Everland / Jessica Khoury: Ein Kuss aus Sternenstaub / Hans Christian Andersen: Die schönsten Märchen / Charles Baudelaire: Wein und Haschisch / Ann A. McDonald: Die Schule der Nacht / Emma Mills: Jane & Miss Tennyson / Makiia Lucier: Das Fieber / Jenn Bennett: Annähernd Alex / Ruta Sepetys: Ein Glück für immer / Marci Lyn Curtis: Alles, was ich sehe / Ruta Sepetys: Salz für die See / Marjorie M. Liu; Sana Takeda: Monstress, Vol. 2: The Blood / Rebecca Gablé: Das Lächeln der Fortuna / Jacquelyn Middleton: London Belongs to Me / Rachel Caine: Ash and Quill

“The best way to tackle the things that terrify you is to not overthink them – to just do them quickly.”
― Marci Lyn Curtis: The One Thing

[Leseplan] August 2017

Und wieder ein Monat geschafft! Geschafft ist auch das richtige Stichwort, denn nach zwei Wochen Urlaubsvertretung bin ich das. Wenn nichts dazwischenkommt, habe ich aber Mitte August eine Woche Urlaub, kann ein bisschen die Seele baumeln lassen und jede Menge lesen. Normalerweise suche ich etwas gemischter die Bücher für meinen Leseplan aus den Regalen aus – nur sind die letzten Wochen überraschend sehr viele Rezensionsexemplare eingetrudelt und bevor mir das komplett über den Kopf wächst, werden diese erstmal gelesen.

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Lesepensum:  2.048 Seiten | ca. 66 pro Tag
  •  Jessica Khoury: Ein Kuss aus Sternenstaub
    Eine Neuinterpretation der Geschichte von Aladdin mit einem weiblichen Dschinny und einer in sich abgeschlossenen Geschichte. Die Beschreibung des Buches klingt schon sehr witzig und ich freue mich auf dieses Gespann wider Willen!
  • Ann A. McDonald: Die Schule der Nacht
    Eine Geschichte, die mal wieder etwas aus dem Beuteschema fällt, dadurch aber nur umso mehr reizt. Eine geheime Gesellschaft, Mysterien und dann die Einordnung unter Thriller/Gothic/Mystery machen sehr neugierig auf die Geschichte von Cassandra.
  • Steven Rowley: Lily und der Oktopus
    Dieser Buch wartet schon wieder viel zu lange aufs gelesen werden, zum Teil auch, weil die Geschichte verspricht traurig zu werden – und ich das in den letzten paar Wochen nicht wirklich wollte. Im August nehme ich mir hierfür aber extra ein Wochenende für.
  • Hans Christian Andersen: Die Schönsten Märchen
    Von einigen seiner Märchen kenne ich Interpretationen, aber wirklich ein Werk von Andersen gelesen habe ich noch nicht. Diese neue Ausgabe von Penguin ist da eine gute Gelegenheit das zu ändern.
  • Rebecca Hunt: Everland
    Zwei Antarktisexpeditionen, eine 1913 und 2013, zur Insel Everland. Jeweils drei Männer werden auf diese Expeditionen geschickt und von der ersten kehren nicht alle Männer zurück. Ich bin gespannt darauf, wie Hunt diese Geschichte erzählt und inwiefern es Parallelen zwischen den Expeditionen geben wird.

    “You’re evil, you know that?” I said. She grinned and shook her head. “Chaotic Neutral, sugar.”
    Ernest Cline: Ready Player One